Das war’s dann, liebe EMEK

Nachdem der Präsident der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK), Otfried Jarren, am vorletzten Verlegerkongress in Interlaken ein einschläferndes, von Schwammigkeiten und Nebel geprägtes Referat gehalten hatte, wurde er kurz vor dem letzten Kongress etwas konkreter. Seine Kommission legte einen ersten Bericht (PDF) vor. In der Kurzzusammenfassung (PDF) sagt dieser: Journalismus mit Hintergrund, Tiefgang und Reflexionskraft ist am Aussterben. Deshalb muss die SDA finanziell unterstützt werden, und es braucht eine Stiftung für die direkte Presseförderung.

Die erste Forderung ist angesichts der Zustandsanalyse ziemlich absurd, denn wie eine zusätzlich alimentierte Nachrichtenagentur einen Beitrag zu mehr Individualität der Medien leisten soll, ist schleierhaft. Und die zweite Forderung dürfte sich schnell erledigen, denn sowohl die Verleger wie auch alle Parteien in Bern, mit Ausnahme der Grünen und der SP, sind gegen eine direkte Presseförderung. Mit anderen Worten: Das erste Werk der EMEK ist ein veritabler Rohrkrepierer.

Damit ist bei dieser Kommission, in die viele Medienleute Hoffnungen setzten, die Luft bereits draussen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn sie hat es nicht geschafft, über die üblichen Klischees der Branchenbeurteilung hinauszukommen. Auch sie stimmt in die ewige Leier der sinkenden Qualität, der ausgedünnten Redaktionen, der mangelnden Vielfalt und der schwindenden Wächterfunktion der Medien, insbesondere der Presse, ein. Vielleicht hängt dies mit der Zusammensetzung der Kommission zusammen, die brav jedem Interessenvertreter der Branche einen Sitz einräumt, sodass sich immer alle neutralisieren. Die verbleibenden Professoren zitieren dann sich selbst und andere, was dazu führt, dass man automatisch wieder beim Befund landet, der seit Jahren ein Axiom der verwissenschaftlichten Medienforschung zu sein scheint.

Die 14 Experten hätten gut daran getan, sich mit ein paar Zeitungsbänden aus dem Jahr 1980 von «Tages-Anzeiger», «St. Galler Tagblatt», «NZZ», «Basler Zeitung» und «Schaffhauser Nachrichten» in eine Alphütte zurückzuziehen, statt in einem Berner Sitzungszimmer die Papiere von Professor Imhof zu studieren. In luftiger Höhe hätten sie bei einigen Bieren und viel Salsiz beim Durchblättern feststellen können, dass diese Zeitungen damals viel belangloser und nichtssagender waren als heute, wo sich alle um Recherche, Hintergrund und Analyse bemühen, statt News breitzuwalzen und SDA-Ratsprotokolle aus dem Ständerat abzudrucken. Vor 30 Jahren glichen sich die Zeitungen im Überregionalen wie ein Ei dem anderen, und im Regionalen wurden Behördenverlautbarungen abgedruckt. Die damalige Faulheit gilt heute aber als besonders seriös und staatstragend, und die heutige Tendenz, Themen unkonventionell anzugehen und gegen den Strich zu bürsten, schilt man mit hochgezogenen Augenbrauen als boulevardesk.

Der Medienkommission ist es nicht gelungen, in diesem allgemeinen Qualitätsuntergangsgroove, der seit Jahren von der Publizistikforschung mantrahaft zelebriert und von den Journalisten kritiklos weiterverbreitet wird, die Reset-Taste zu drücken. Sie hat für das alte Theater ein weiteres Stück geschrieben. Damit hat sie ihren Einstiegstest nicht bestanden. Bundesrätin Leuthard sollte die Kommission auflösen.

Andrea Masüger ist CEO der Somedia (vormals Südostschweiz Medien).

von Andrea Masüger | Kategorie: Mediensatz

7 Bemerkungen zu «Das war’s dann, liebe EMEK»

  1. Hanspeter Spörri:

    Lieber Andrea, ein bisschen sehr recht hast du ja. Teilweise waren die Zeitungen damals tatsächlich eintönig und ferngesteuert. Das St.Galler Tagblatt um 1980 war allerdings dabei, besser zu werden. Jürg Tobler war als neuer Chefredaktor von Luzern her gekommen und führte neue Textsorten ein. Zuvor hatte es nur Artikel und Leitartikel gegeben. Nun versuchten wir uns auch an Reportagen, Glossen, Hintergründend und lernten zu recherchieren. Und „liberal“ wurde neu definiert. Spannend war das. Und ziemlich nervenaufreibend für die Redaktion. Dann gab es in der Stadt auch noch die «Ostschweiz», das konservative CVP-Blatt. Bald wurde es unter Marco Volken kritischer und vielfältiger. Und die AZ sorgte mit André Gunz und Susan Boos (vorher mit René Hornung, Richard Butz und Georges Wüthrich) immer wieder für Aufsehen. Auch der Anzeiger, das bürgerliche Gratisblatt, war lesenswert und sehr politisch. Im kleinen Städtchen herrschte harter Wettbewerb. Qualität? Vermutlich schon. Sicher aber Vielfalt.

  2. Christof Moser:

    Erstens: Die Medienqualität hochjubeln, aber der erste Namen (Orfried?) im Text falsch schreiben: suboptimal. Zweitens: Kritik an Medienqualität wird von den Journalisten kritiklos weiterverbreitet? Tatsache ist das Gegenteil.

  3. Kurt Imhof:

    Ratlos

    Wie soll man auf Andrea Masügers Bauch-über-Kopf Schreibe reagieren?

    Auch personalisiert mit Link auf alte Texte auf ähnlicher Flughöhe?
    Bringt nichts, gleiche Münze führt nicht weiter.

    Soll ich gegen seine Abkupferungstheorie anschreiben und die Unterschiede zwischen dem Jahrbuch und dem klugen, argumentationsdichten Bericht einer ebenso heterogenen wie erfahrenen Kommission unter Verlegerbeteiligung hervorheben?
    Bringt auch nichts. Das Faktum, dass ganz andere Leute dieselben Sorgen teilen, bewog nicht zur Reflexion (was eigentlich zu erwarten wäre), sondern dient umgekehrt als ‚Beweis’ für ein falsches Mantra (was eigentlich nicht zu erwarten ist).

    Soll ich es therapeutisch versuchen? Vielleicht hilft das.
    Wir haben Verständnis für die verletzten Gefühle in einer einst stolzen Branche, deren Berufe heiss begehrt waren. Wir können nachvollziehen, dass der Bauch nicht will, was der Kopf sagt. Vergessen Sie nicht, Sie sind nicht allein, auch die Banker leiden. Wir sind betroffen, haben Empathie und spüren den Frust. Es gibt einen Boden unter den Füssen, glauben Sie daran, er ist nur noch nicht erreicht, um standhaft etwas zu tun. Vielleicht wäre eine Selbsthilfegruppe die richtige Idee. Wichtig ist und bleibt die Selbsterkenntnis, die Branche hat sie nötig wie nie zuvor! Und es gibt einen Trost: Die Selbsterkenntnis greift Raum.

    Oder soll ich darauf verweisen, dass Andrea Masüger ohne zusätzlichen Gedanken nachbetet, was Hanspeter Lebrument seit 5 Jahren behauptet? Sollte ich also einmal mehr – aber mit aller Vorsicht und vorauseilenden Entschuldigungen – berichtigen?
    Nein, sorry, es stimmt einfach nicht, die Journalisten der 1980er Jahre waren nicht allesamt faule Säcke, Sie gehörten ja auch dazu; die Themenvielfalt und die Einordnung hat leider seither tatsächlich massiv abgenommen, die Anbietervielfalt – man möge mir und allen anderen, die sich erlauben von Konzentration zu sprechen, bitte vergeben – sogar dramatisch; es ist schrecklich, ja, aber trotzdem, wer soll es sonst sagen: Die Reichweite der qualitätsniedrigsten Angebote auf Kosten der Abonnementszeitungen ist exponentiell gestiegen; und ja, ich entschuldige mich in aller Form es anzusprechen: Die Gratiskultur frisst in Gottes Namen den Angeboten mit informationsjournalistischem Anspruch die Werbe- und Kaufeinnahmen weg; und nein, bitte nicht gleich zuschlagen, die alte Behauptung, die Gratisangebote seien ein Anfixstoff für Kaufjournalismus, hat sich nicht bewahrheitet, diese Rechnung ging hinten raus; und schliesslich ja, ich ersuche um christliche Nächstenliebe, aber es lässt sich beim besten Willen nicht ändern: Die Arbeitsverhältnisse sind schlechter und der Zeitdruck im Journalismus ist grösser geworden und die Abonnementszeitungen lassen Federn. Insgesamt und unter dem Strich – ich appelliere zumindest Gnade vor Recht walten zu lassen – mit dem Sinken der Ressourcen sank auch die Qualität. Wir können alle nichts dafür, auch Sie nicht, dass das Wunder einer blühenden Medienlandschaft durch rituelle Sparrunden ausgeblieben ist. Hier wäre die Reset-Taste angebracht.

  4. Thomas Binder:

    Danke für Ihre deutlichen Worte, Kurt Imhof!

    Gerade heute, wo wir wegen IS(IS), der Ukraine, Gaza und Baden alle realisieren müssen, dass wir durch unglaublich manipulierte Medien unglaublich manipuliert werden, ist die Forderung nach Förderung möglichst freier Medien wichtiger und hoffentlich auch konsensfähiger denn je.

    Die Tatsache, dass mittlerweile sogenannte „Verschwörungsseiten“ der „Wahrheit“ viel näher kommen als die „Mainstream-Medien“, beweist die ganze Tragik der unglaublichen Entwicklung weg von der Information hin zur Desinformation.

    Dafür bezahlte ich weder Geld, noch Zeit, noch Energie. Ich beschränke meinen Medienkonsum auf die Lektüre von gut recherchierten Hintergrundartikeln und auf die vielleicht letzten „freien“ Tageszeitungen „The Guardian“ und insbesondere „Haaretz“, für die ich sehr gerne bezahle. Ansonsten lese ich lieber gute Bücher und nehme mir Zeit, selber möglichst frei denken zu können.

    Was ich mir von den Medien wünschen würde: Konsequent die Narrative aller Seiten hören und lesen zu dürfen, Fakten anstatt Mythen präsentiert zu bekommen und, dass diese konsequent die „Sokratische Postion“ einnehmen, aufgrund derer ich selber die „Wahrheit“ suchen und finden kann, die niemals im „entweder oder“ sondern immer im „sowohl als auch“ liegt.

    Es gibt für die Medien viel zu lernen. Wer dies tun will, wird überleben, wer nicht eben nicht.

  5. Pingback: Das Mantra vom «bösen Staatseinfluss» bei der Medienförderung | Medienspiegel.ch

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