Die innermediale Diskussion um den Fall «Carlos» mag ermüden, sie hat aber ihre guten Seiten. Denn sie zeigt eine Branche, die sich nicht nur medientechnisch (Zukunft der Zeitung, Internet und seine Weiterungen etc.), sondern auch medienethisch mit sich selbst auseinandersetzt. Mein Vorgänger an dieser Stelle, Peter Studer, hat letzte Woche dazu eine breite und interessante Analyse einer entsprechenden Podiumsdiskussion geliefert.
Die Geschichte um «Carlos» zeigt nichts anderes als das unterschiedliche Journalismusverständnis zwischen der Boulevard- und der sogenannten seriösen Presse. Die Boulevardmedien haben den Fall hochgekocht und sorgfältig bewirtschaftet. Für sie war es ganz einfach eine Story, die sich gut verkauft. Sie liess sich bequem weiterdrehen, weil die Akteure extrem hilflos und konfus reagierten, bis in die höchste politische Ebene hinauf. Der Boulevard hat per se kein Interesse, weiter in die Hintergründe einer solchen Story vorzudringen, weil dieses Nachforschen durch wachsende Komplexität der Angelegenheit die einfache Erzähl- und Empörungslinie zu gefährden droht.
Hier treten die «seriösen» Medien auf den Plan. Und diese haben ihre Sache gut gemacht. Schon bald erschienen an verschiedenen Orten relativierende Beiträge und Kommentare, welche eine Art «Wirtschaftlichkeitsrechnung» aufmachten: Bringt es dem Individuum und dem Staat am Ende nicht mehr, wenn er Typen wie «Carlos» zu bändigen versucht, statt sie durch drakonische Massnahmen weiter in eine kriminelle Spirale zu treiben? Hier geht es nicht nur um menschliche Faktoren, man kann sogar hart mit Franken und Rappen rechnen.
Die Medien haben also auch ein relativierendes und differenziertes Bild geliefert. Es hat keinen Wert zu jammern, dass Boulevardmedien sich nicht an medienethische Grundsätze halten oder den Journalistenkodex verletzen. Das machen sie fortgesetzt, es gehört teilweise zum Geschäftsmodell. Ein ausgewogenes Boulevardmedium ist ein Widerspruch in sich. Wichtig ist, dass sie nicht die einzige Stimme im Konzert bleiben, dass eine Debatte entsteht, die relativierend wirkt.
Die Ironie der ganzen Geschichte besteht zudem darin, dass der einzige, der wirklich cool blieb, «Carlos» selbst ist. Nur kam anfänglich niemand auf die Idee, ihn zu befragen. Ausgerechnet die zuerst aus allen Rohren schiessende «Weltwoche» brachte dann ein bemerkenswertes Interview, das einen ganz anderen «Carlos» zeigte, als zu vermuten und zu befürchten war. Der Interviewer wurde daraufhin vom Saulus zum Paulus – auch dies ein überaus bemerkenswerter Vorgang, der in dieser Transparenz bei den Medien völlig unüblich ist. Peter Studer meint deshalb als gewiefter Medienrechtler und alter Branchenprofi, dass der Zürcher Journalistenpreis für diesen Akt journalistischer Aufklärung gerechtfertigt ist.
Zu denken geben muss in diesem Fall also nicht das Verhalten der Medien in ihrer Gesamtheit, sondern die brutale Unfähigkeit der Politik zu einer sachgerechten Vorgehensweise. Aus Angst vor dem «Shitstorm» haben sich Politiker zu blutigen Opportunisten gewandelt, obwohl sie über genug publizierte und nicht publizierte Fakten für eine seriöse Beurteilung verfügten. Der Umstand, dass schliesslich das Bundesgericht den Rechtsstaat wieder installiert hat, stellt am Ende auch der Gesellschaft und dem Staatswesen als Ganzes ein gutes Zeugnis aus.
Andrea Masüger ist CEO der Südostschweiz Medien.
Ja, mit fast allem einverstanden.
Allerdings: Dass bei diesem auf eine – relativ wehrlose – Person zentrierten Story-Storm es mehrere Wochen dauerte, bis ein Journalist sich aufraffte, überhaupt mit dieser Person ein ausführliches Gespräch zu führen, bleibt irritierend, um nicht zu sagen: schockierend.
Es war für Alex Bauer wahrscheinlich nicht leicht, näher an Carlos heran zu kommen, denn der beschäftigt ja keine der üblichen PR-Agenturen zwecks Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Es kostete Zeit, Aufwand und Nerven. Es gab vermutlich mehrere Absagen. Er konnte nicht rasch via mail ein paar Fragen rausjagen, durchs web surfen und ein paar Experten und Politiker zusammenzitieren.
Insofern ist der Fall wohl schon lehrreich: Oefter mal wieder raus aus dem rundumvernetzten, vollklimatisierten Newsroom ausbrechen. Ins wahre Leben!
In den zentralisierten Newsrooms mit ihren autoritären Hierarchien werden Storytrends (inkl. Verkaufsstrategien) sehr schnell von ein paar Zampanos festgeklopft und newsroom-weit durchgezogen.
Individualisten, junge Journalisten, bleiben da schnell mal auf der Strecke.
Aber gerade sie bringen am Ende oft die besten Stories. Und die gedeihen definitiv nicht in Treibhäusern (wobei der doppelte Wortsinn hier voll beabsichtigt ist).
„Aus dem Newsroom ausbrechen“ könnte bzw. müsste heissen, die 12 AHV-Maximalrenten zu hinterfragen, die man monatlich für einen renitenten Jungdelinquenten ausgibt. Dabei spielt es gar keine Rolle, dass dieser Betrag nicht ihm direkt zufliesst. Also: Warum kostet das so viel? Offensichtlich verdienen da mehrere Akteure gut mit. Gehts nicht zu tieferen Kosten, umso mehr, als die Massnahmen völlig ergebnisoffen sind (gilt auch für Gefängnisse)? Ist es überhaupt richtig, dass sich die öffentliche Hand finanziell so stark engagiert (andere leben auch auf der Strasse)? Wo bleibt eigentlich die Verantwortung der Eltern, auch finanziell?
Was meinen Behinderte dazu, die von der IV-Rente in ihrer Einzimmerwohnung leben müssen? Was die Alkis, die im Kreis 4 auf der Gasse leben? Wäre ja mal ganz was anderes, mit solchen Personen über den Fall „Carlos“ zu reden.
Wenn es das Ziel der Medienkritik war, aus dem Saulus einen angeblichen Paulus zu machen, ist das offensichtlich gelungen. Auch wenn es nur ein Ablenkungsmanöver ist.
Angesichts dessen, dass wir in einem Land leben, das kriminell handelnden Unternehmen und deren verantwortlichen Akteuren erlaubt, milliardenhohe Strafen vollumfänglich von der Steuer abzusetzen – und damit die Öffentlichkeit faktisch für die von ihnen schriftlich eingestandenen Verbrechen zahlen lässt -, fällt, finanziell gesehen, der Fall „Carlos“, kaum ins Gewicht.
Doch, doch, diese Fälle lassen sich journalistisch sehr gut verbinden. Es geht in beiden Fällen um Kriminalität und die Kosten der Resozialisierung. Man könnte daraus durchaus ein spannendes Stück über den Zustand der inneren Hygiene in der Schweiz schreiben, über weisse und andere Westen, und zwar so, dass auch „IV-Rentner in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung“ die Zusammenhänge sehr gut begreifen.
Könnte man. Geschieht natürlich nicht. Schweizer Medien wissen auf Zuruf sehr genau, wann sie zu schweigen haben. Und dann schweigen sie auch, und zwar im Kollektiv.
Drum sind sie so dankbar für einen „Fall Carlos“.
Der übliche Relativismus als Ablenkungsmanöver. Wenn Sie sich schon auf die Seite des Finanzimperialisten schlagen, könnten Sie uns doch aufklären, wie viel dieser für seine Renitenten und Knastis monatlich ausgibt. 300 Dollar – oder eher weniger?
Wer Geld von „Kriminellen“ annimmt, macht sich der Hehlerei schuldig. Wo war Ihr Protest, als diese „kriminell handelnden Unternehmen“ ihre Steuern zahlten?
Sie müssen das Wort „Kriminell“ nicht in Anführungszeichen zu setzen. Sowohl die UBS wie die CS mussten in schriftlichen Erklärungen zugeben, kriminell gehandelt zu haben. Das ist aktenkundig.
Woher haben Sie die Information, dass die Schweiz «kriminell handelnden Unternehmen und deren verantwortlichen Akteuren erlaubt, milliardenhohe Strafen vollumfänglich von der Steuer abzusetzen»?
Keine Antwort ist auch eine Antwort. Hier die Fakten:
David Mathers, CFO der CS: «Etwa 2 Milliarden der 2,8 Milliarden Dollar in Zusammenhang mit einer Strafe. Wir gehen davon aus, dass dieser Betrag nicht abzugsfähig ist.»
Grundsätzlich antworte ich auf Leute, die sich hinter albernen Pseudonymen verstecken, nicht mehr. Ausnahmen bestätigen die Regel.
CFO CS Mathers: „In den übrigen rund 800 Millionen Dollar sei dagegen «ein gewisser Steuerabzug» enthalten. Zusammen mit den Steuerabzügen für Strafen aus kriminellem Vorgehen der UBS (es handelt sich um sog. Organisierte Kriminalität, die man früher als Bandenkrimininalität bezeichnete) sind das Abzüge im Milliardenbereich, die letztlich die Oeffentlichkeit bezahlt: für das kriminelle Verhalten ihrer Banken über Jahrzehnte hinweg.
Da warten wir doch einfach mal die tatsächliche Schlussabrechnung ab. Die Schweizer haben sich von ihren Banken so oft belügen lassen. Es ist erstaunlich wie gläubig die meisten von ihnen immer noch sind.
Da lässt sich dann schon ein Bezug zu den Kosten eines „Carlos“ herstellen, der erklärtermassen einen ungewöhnlicher Einzelfall darstellt.
„Carlos“ ist eben gerade kein Einzelfall. Jeder Kanton hat mehrere solcher Fälle, auch die kleinsten Kantone. Das hat bei uns sogar die Lokalzeitung herausgefunden (eine tel. Nachfrage bei der Jugendanwaltschaft genügte). Ungewöhnlich ist bei „Carlos“ bloss das Boxtraining. Im Übrigen sind auch die normalen Gefängnisplätze, die Therapien und Gutachten extrem überteuert. Da sahnen einige Akteure kräftig ab.
PS: Die Geständnisse in den USA – und nur dort gelten sie – kommen unter Drohungen und ohne Prozess zustande. Das sollte bekannt sein.
….und auch 20min.ch bringts manchmal erstaunlich präzis auf den Punkt: http://www.20min.ch/finance/news/story/10969656
Ausganglsage: Die Kriminelle Bösbank AG (KBB) macht einen Gewinn von CHF 100, davon CHF 10 mit im Ausland als kriminell taxierten Aktivitäten. Die Genossenschaft Saubere Liebbank (SLB) ist völlig identisch mit der KBB, verzichtet jedoch auf die kriminellen Aktivitäten im Ausland. Der Gewinn der SLB beträgt folglich CHF 90.
Szenario 1: Die KBB wird im Ausland nicht erwischt. Der steuerbare Gewinn der KBB beträgt CHF 100, jener der SLB CHF 90.
Seznario 2: Die KBB wird im Ausland zu einer Busse von CHF 20 und einer Abschöpfung der unrechtmässigen Gewinne (Gewinnabschöfpung) von CHF 10 verurteilt. Der steuerbare Gewinn der KBB beträgt nun CHF 90, jener der weiterhin SLB CHF 90.
Quizfragen für Qualitätsjournalisten: Wo ist der finanzielle Schaden für die Öffentlichkeit?
PS I: 20min.ch hat die SDA-Meldung kopiert, die überall zu lesen war.
PS II: Schöchli von der NZZ: «Der Fall ruft nach klassischer Empörungsbewirtschaftung.» q. e. d.
Verfolgen Sie mal die aktuelle Debatte im Parlament, Sie mühsamer Ideologie-Troll.
Das ist ein guter Vorschlag, danke!
Der objektive Qualitätsjournalist Fred David: «…dass wir in einem Land leben, das kriminell handelnden Unternehmen und deren verantwortlichen Akteuren erlaubt, milliardenhohe Strafen vollumfänglich von der Steuer abzusetzen.»
Die Ideologie-Trollin, Bundesrätin und Schweizerin des Jahres 2008 Eveline Widmer-Schlumpf: «Beispielsweise bei der CS: Aus der Distanz beurteilt, wird sich diese 2,8-Milliarden-Dollar-Busse zusammensetzen aus einem Teil der Busse, der strafrechtlichen Charakter hat – das ist der grössere Teil, nicht abzugsfähig -, und aus einem Teil, der tatsächlich Gewinnabschöpfungscharakter hat und damit auch abgezogen werden kann, denn damit wurde Gewinn erzielt, und der Gewinn wurde versteuert.»
Fazit der Diskussion:
1. Ihre Behauptung, die Strafe könne vollumfänglich abgezogen werden, entspricht nicht den Tatsachen. Die CS wird höchstens CHF 0.8 Mrd. der Strafe von CHF 2.8 Mrd. steuerlich abziehen können.
2. Es ist zwischen Bussen mit Strafcharakter und Gewinnabschöpfung zu unterscheiden. Bussen mit Strafcharakter sind nicht steuerlich abzugsfähig, Gewinnabschöpfungen in gewissen Fällen schon. Diese nicht-triviale Differenzierung unterschlugen Sie. Ob aus Unwissenheit oder zur Maximierung des Empörungspotenzials, das kann ich nicht beurteilen.
3. Dass Gewinnabschöpfungen in gewissen Fällen steuerlich abzugsfähig sind, ist sachlogisch: Beträgt der durch (im Ausland) illegale Tätigkeiten erzielte Gewinn CHF X, der restliche (im In- und Ausland legale) Gewinn CHF Y und der Steuersatz t, dann bezahlt das Unternehmen im Inland Steuern von total CHF (X+Y)*t. Werden nun die Gewinne von CHF X von einer ausländischen Jurisdiktion nachträglich als illegal erklärt und eingezogen, beträgt der tatsächliche Gewinn des Unternehmens nur noch CHF Y. Kann das Unternehmen die CHF X nicht steuerlich abziehen, wird ein zu hoher Gewinn von CHF X+Y besteuert. Das wäre rechtsstaatlich bedenklich, weil das Unternehmen de facto von der Schweiz mit einer Zusatzstrafe von CHF X*t belegt würde – notabene für eine im Inland legale Tätigkeit.
4. Durch den steuerlichen Abzug entsteht der Allgemeinheit kein finanzieller Schaden, vielmehr profitierte sie in der Vergangenheit von der im Ausland illegalen Tätigkeit. Hätte das Unternehmen die im Ausland illegale Tätigkeit unterlassen, wären die Steuereinnahmen um CHF X*t geringer gewesen als im Saubermann-Szenario. Durch den Abzug wird lediglich das Saubermann-Szenario simuliert, damit tatsächlicher und steuerbarer Gewinn wieder übereinstimmen.
Saubermann-Szenario:
Tatsächlicher Gewinn: CHF Y
Steuerbarere Gewinn: CHF Y
Steuereinnahmen: CHF Y*t
Bankster-Szenario:
Im Ausland nicht erwischt:
Tatsächlicher Gewinn: CHF X+Y
Steuerbarere Gewinn: CHF X+Y
Steuereinnahmen: CHF X*t+Y*t
Im Ausland erwischt (ohne Abzugsmöglichkeit):
Tatsächlicher Gewinn: CHF X+Y-X=CHF Y
Steuerbarere Gewinn: CHF X+Y
Steuereinnahmen: CHF X*t+Y*t
Im Ausland erwischt (mit Abzugsmöglichkeit):
Tatsächlicher Gewinn: CHF X+Y-X=CHF Y
Steuerbarere Gewinn: CHF X+Y-X=CHF Y
Steuereinnahmen: CHF Y*t
Fazit: Man kann über Sinn und Zweck der Abzugsmöglichkeit diskutieren. Wie bei der Beurteilung von Bundesgerichtsurteilen sollte für den Qualitätsjournalisten auch hier die Reihenfolge gelten: 1. Lesen. 2. Verstehen. 3. Denken. 4. Schreiben.
@) Anonymer, mühsamer Ideologie-Troll: Ich bekenne: Die Strafen sind nicht vollumfänglich steuerlich abziehbar. Es sind nur hunderte von Millionen CHF abziehbar. Und zwar in diesem einen einzigen Streitfall einer einzigen Schweizer Bank. Es stehen noch x Verfahren gegen Schweizer Banken an. Es geht insgesamt um abzugsfähige Summen im Milliardenbereich. Zufrieden?
In Ihrem grosssspurigen „Juristenseminar“ erwecken Sie den Eindruck – und das gehört zur einschlägigen Ideologie – als sei alles völlig geklärt und nur eine Frage für Finanzjuristen. Die übrigen Dummköpfe verstünden davon sowieso nix.
Wie wir gelernt haben, sind sich Steueramt und Steuergericht in Zürich überhaupt nicht einig, was genau Bussen- und was Strafcharakter hat. Auch das Finanzdepartement ist sich nicht völlig sicher und sogar der CS Finanzchef braucht die vage Formulierung , er „gehe davon aus, dass…“ . Aber der Troll weiss alles besser.
Aber auch darum geht es nicht. Man will – und die NZZ und Ihr Herr Schöchli sind darin Spitze – den ganzen Schwarzgeldsumpf – als blosses juristisch-akademisches Thema abhandeln, am liebsten mit tausenden Details, damit man möglichst nicht kapiert, worum es eigentlich geht.
Die üblichen Ablenkungsmanövern, womit man gezielt erreicht, dass das Publikum nur noch „Bahnhof“ versteht. Die Leute sollen nicht verstehen, welche Dimension und welche Implikationen dieser Schwarzgeldsumpf noch immer hat, und dass dahinter ein staatlich unterstütztes System steht.
Journalisten sollen Zusammenhänge zu recherchieren versuchen, sich nicht immer mit juristischen Einzelfällen abspeisen lassen, zum Beispiel, dass vergangene Woche die rechtsbürgerlche Mehrheit die Weissgeldstrategie der Regierung faktisch zerzaust hat.Sie wollen explizit keine Weissgeldstrategie. Sie fahren ihre offensive Schwarzgeldstrategie weiter, als wäre nichts geschehen. Das Publikum scheint das überhaupt nicht zu realisieren. und das ist gewollt.
Ganz oben sind wir mal vom Fall „Carlos“ ausgegangen. Mein bescheidener , sicher nicht in allen Details überlegter Vorschlag war, mal den Schaden für den Staat gegenzurechnen, gemessen am publizistischen Aufwand, den man in den Fall „Carlos“ investierte. Das Publikum könnte das durchaus interessieren.
Und schliesslich: Sie schreiben einen wunderschönen Satz (doch, doch, wo Lob hingehört gehört es hin):“….vielmehr profitierte die Schweiz in der Vergangenheit von der im Ausland illegalen Tätigkeit.“
Auch da könnte journalistische Recherche wieder ansetzen: Aktive Behilfe zum Steuerbetrug ist auch in der Schweiz strafbar. Wie der Fall Birkenfeld (UBS) gerichtsnotorisch belegt, ist diese ausgedehnte krimininelle Tätigkeit zu einem erheblichen Teil von der Schweiz aus organisiert worden.
Warum hat nie ein Schweizer Staatswanwalt den Versuch unternommen, die Verantwortlichkeiten zu klären?
Das alles gehört zum „System Schweiz“ (und die NZZ ist ein nicht unerhebliche Teil davon). Und das ist eigentlich das Thema, um das es geht. Schweizer Medien machen einen grossen Bogen drumrum. Sie widmen sich lieber mit Inbrunst Einzelfällen, als gäbe es zwischen diesen Fällen keinen immanenten Zusammenhang.
Und nun lassen Sie’s aber gut sein. Ich antworte nicht mehr. Es sei denn, Sie legen ihr albernes Psedonym endlich ab und stehen mit Gesicht und Name hinter dem, was sie hier erzählen.
«Ich bekenne: Die Strafen sind nicht vollumfänglich steuerlich abziehbar.»
Wieso schreiben Sie dann die Unwahrheit? Muss Qualitätsjournalismus nur wahrheitsgetreu, sachgerecht und nicht skandalisierend sein, wenn der Spin in die richtige Richtung dreht? Warum erkennen Sie eigentlich die Ähnlichkeit der Fälle CS und «Carlos» nicht?
Beide Fälle beginnen unbestrittenermassen mit kriminellen Handlungen (in Artikeln zu «Carlos» wird das kaum mehr erwähnt). In beiden Fällen gibt es eine grosse Diskrepanz zwischen dem angeblich gesunden Menschenverstand und der Expertenmeinung bzw. der Rechtsstaatlichkeit. Beide Fälle eignen sich hervorragend für mediale Empörungsbewirtschaftung. Sowohl das Sondersetting für «Carlos» als auch die steuerliche Abzugsfähigkeit von Gewinnabschöpfungen sind durchaus diskutabel. Beides ist aber nicht derart absurd, wie es auf den ersten Augenblick erscheinen mag. Zumindest dann nicht, wenn man sich gedanklich länger als 10 Minuten mit der Thematik und den Alternativen zum gewählten Vorgehen bzw. Modus befasst.
«Man will – und die NZZ und Ihr Herr Schöchli sind darin Spitze – den ganzen Schwarzgeldsumpf – als blosses juristisch-akademisches Thema abhandeln, am liebsten mit tausenden Details, damit man möglichst nicht kapiert, worum es eigentlich geht.»
Man könnte dem entgegenhalten, dass die NZZ einen erfreulichen Kontrast zu oberflächlichem Elke-Heidenreich-Journalismus bildet. Man kann Heidegger für einen Nazi halten und deshalb die Diskussion seiner philosophischen Ansichten verweigern – dies rechtfertigt jedoch nicht das Fälschen von Zitaten vor laufenden (öffentlich-rechtlichen) Kameras. Man kann als politisierender Journalist den «Schwarzgeldsumpf» mit der Feder dezidiert bekämpfen – dies rechtfertigt jedoch nicht das Verbreiten von Un- und Halbwahrheiten.
Amüsant ist doch die selektive Reaktion von ideologisierten Journalisten auf das Verbreiten von Unwahrheiten, Halbwahrheiten oder das Weglassen von relevanten Fakten (dies betrifft nicht nur Sie):
Gefällt einem die Stossrichtung der journalistischen Empörung nicht, wird diese als hetzerisch, populistisch, damagogisch, boulevardesk, vereinfachend etc. klassiert. Lässt sich die Mehrheit der Bevölkerung vom Wutjournalismus anstecken oder teilt die Meinung des Journalisten ohnenhin, wird der bevorstehende Untergang der (direkten) Demokratie (wenn nicht des Abendlandes) prognostiziert. Die Rufe nach mehr staatlicher Presseförderung und einer Lenkung des Pöbels in die objektiv richtige Richtung werden repetiert. Die Sache sei zu komplex, um sie Laien zu überlassen.
Gefällt einem die Stossrichtung der journalistischen Empörungsbewirtschaftung, wird diese als aufklärerisch, engagiert, brillant, mutig etc. klassiert. Gegenstimmen werden als Korinthenkacker, Nerds, Freaks etc. diffamiert. Sachliche Richtigstellungen werden despektierlich als «Seminare» verhöhnt, auch wenn deren Inhalte für jeden KV-Stift leicht verständlich sind*. Die Meinung der Bevölkerung wird als Korrektiv zu einer degenerierten Expertokratie dargestellt («Das versteht doch der Mann / die Frau auf der Strasse nicht!»). Die Sache sei zu simpel, um sie Experten zu überlassen. Diese würden sich aus finsteren Moriven verschwören, um eine einfache Sache komplex ausschauen zu lassen, um die Bevölkerung hinters Licht zu führen. Auf die sachliche Richtigkeit kommt es deshalb bei qualitätsjournalistischen Elaboraten nicht an. Wird der Journalist bei der Verbreitung von Unwahrheiten ertappt, erklärt es den falsch darstellten Sachverhalt zu einem «Detail», das am big picture nichts ändere.
«Wie wir gelernt haben, sind sich Steueramt und Steuergericht in Zürich überhaupt nicht einig, was genau Bussen- und was Strafcharakter hat. Auch das Finanzdepartement ist sich nicht völlig sicher und sogar der CS Finanzchef braucht die vage Formulierung , er “gehe davon aus, dass…” . Aber der Troll weiss alles besser.»
Der «Troll» hat nirgends geschrieben, dass die CS todsicher CHF 800 Mio. abziehen könne. Ein wesentlicher Punkt meines «Seminars» mit Ihnen bestand ja gerade darin, Ihnen aufzuzeigen, dass die CS maximal CHF 800 Mio. wird abziehen können.
«Und nun lassen Sie’s aber gut sein. Ich antworte nicht mehr. Es sei denn, Sie legen ihr albernes Psedonym endlich ab und stehen mit Gesicht und Name hinter dem, was sie hier erzählen.»
Schade. Hier noch ein Gratistipp zum Abschluss des Seminars: Versteifen Sie sich in ihrem völlig unideologischen Dschihad gegen die CH-Banken nicht auf den «Schwarzgeldsumpf». Die Banken würden diesen «Sumpf» lieber heute als morgen trockenlegen. Wenn Sie den Banken wirklich Schmerzen zufügen wollen, dann setzen Sie sich auf allen journalistischen Kanälen für höhere Eigenmittelstandards (z.B. 20%) ein.