Der Fall Maurer/«Weltwoche» hat medial keine grossen Wellen geworfen. Ein paar empörte Kommentare, eine kritische «NZZ», eine wohlwollende und maurerversteherische Analyse im «Tages-Anzeiger». Ein paar überdreht-absurde Kommentare von linken Politikern, so etwa der Vorwurf des Hochverrats. Doch alles hat sich schnell wieder gelegt. Bis heute ist der singuläre Vorgang, dass ein Minister, ein Bundesrat, 20 Minuten nach der Absolvierung eines Interviews zentrale Aussagen bereut und zurückzieht, ein Mirakel geblieben.
Fest steht nur, dass man allseits mit der Naivität des Publikums rechnete. Die Story von den sogleich anlaufenden Druckmaschinen, welche den Rückzug eines Textes verhindern, ist so alt wie das Druckgewerbe. Man kann damit allenfalls einen Leserbriefschreiber überzeugen, aber keinen Bundesrat mit seinem Stab an Infoleuten. Bleibt die These, dass der Verteidigungsminister im Kreise huldigender journalistischer Gleichgesinnter gar zu frei dachte und plapperte und erst im Nachhinein die Tragweite seiner Worte erkannte. Auch das eine naive Sicht, die nahelegen würde, dass Maurer sein Tun nicht richtig einschätzen kann. Das wäre wenig schmeichelhaft für einen Magistraten.
Krass ist, dass Maurer offensichtlich genau das in Kauf nimmt. Er lässt es zu, dass man ihn für einen unüberlegten Schwätzer hält. Er hat sich bisher noch nicht selbst erklärt. Das ist ein grosses Opfer, aber es muss sich lohnen. Man muss deshalb davon ausgehen, dass das Ganze eine gezielte Provokation war. Dass Maurer in voller Absicht diese Lunte zündete, um eine allzu forsche Aussenpolitik abzuklemmen und nach dem 9. Februar auch die ideologische Isolation der Schweiz weiter zu festigen. Die «Weltwoche» war dazu das geeignete und wohl auch das einzige Vehikel. Zudem gut für Auflage, Renomée und allgemeine Verlags-PR.
Mutig wäre allerdings gewesen, wenn Maurer keinen Rückzieher pour la galerie gemacht, sondern zu jeder Zeile gestanden hätte. Das erschien ihm wohl zu riskant, weshalb er bei Burkhalter telefonisch guten Wind machte und allgemein dafür sorgte, dass die kleine Brise nicht zu einem zu argen Sturm führte. Will er doch noch ein bisschen Bundesrat bleiben und nicht jeden Mittwoch auf saure Kolleginnen und Kollegen stossen. In dieser Hinsicht ist nun also auch Maurer nur noch ein halber (SVP-)Bundesrat.
Eine ganz andere Sicht der Dinge, die mir wahrscheinlich erscheint, wurde bisher noch nicht diskutiert. Beim Interview mit den «Weltwoche»-Koryphähen wurde bestimmt ein Glas Wein getrunken. Oder vielleicht waren’s auch zwei, drei oder vier Gläser. Bis sich die Zunge löste, so, wie es die alten Römer beschrieben haben, und der Wein die Wahrheit ans Tageslicht brachte. Ein betrunkener Ueli Maurer wäre für einmal auch ein sympathischer Ueli Maurer.
Andrea Masüger ist CEO der Südostschweiz Medien.