Es gibt viele todesmutige Journalistinnen und Journalisten auf der Welt. In Ländern, welche die Pressefreiheit nicht oder nur als Lippenbekenntnis kennen, bezahlen sie ihren beruflichen Einsatz immer öfter mit dem Leben (s. Markus Spillmann: «Mit Faustrecht gegen die Macht der Worte»). In Europa hingegen muss niemand Bedrohung, Folter, Kerker oder Tod bei der Ausübung seiner Arbeit fürchten.
Es sei denn, und das ist ein relativ neues Phänomen, er oder sie wird Opfer von islamischer Hysterie oder gar von islamistischen Todesschwadronen. Deren Fatwas können im schlimmsten Fall auch in England, Holland oder Dänemark in ─ angedrohten oder vollzogenen ─ Exekutionen von Autoren, Filmschaffenden oder Zeichnern auf offener Strasse enden. Doch das ist eine Bedrohung, vor der liberale Gesellschaften die Augen verschliessen, so lange es irgendwie geht. Auch die meisten Journalisten. Denn sie fürchten sich im allgemeinen weit mehr davor, dem falschen politischen Lager zugeordnet zu werden ─ in diesem Fall den sogenannten Fremdenfeinden, Islamophoben, rechten Vorgestrigen ─ als vor der schleichenden Selbstzensur einer ständigen Anpassung an das vermeintlich richtige Lager.
Für Religionskritik haben wir in unseren Breiten ja den Vatikan, an dem man satirischen oder aufklärerischen Mut beweisen kann (s. Peter Studer: «Bemerkung zur Karikatur von Päpsten»). Das ist zwar eine weit offene Bastion des letzten religiösen Hinterwäldlertums, das auf unserem eigenen Mist gewachsen ist, das aber so gut wie keinen politischen Einfluss auf unsere säkularisierten Gesellschaften mehr hat. Doch dem journalistischen oder satirischen Gratis-Eifer tut das keinen Abbruch ─ er ist die Kehrseite des «Wir-sind-Papst»-Jubeljournalismus. Dieser Eifer ist weder bedrohlich für eine längst überholte Männer-Institution wie den Vatikan, noch antwortet dieser darauf mit Bedrohung und Todesurteilen (ausser vielleicht zwischen den Buchdeckeln eines Thrillers oder im Kino).
Aber auch sonst scheint journalistisches Duckmäusertum in umgekehrter Relation zur eigentlichen Bedrohungslage zu stehen. Das zeigt sich sogar in den Kulturredaktionen, jenen Oasen der Narrenfreiheit, die eigene Positionen nicht nur zulassen würden, sondern deren Qualität direkt von der Vielfalt der Erfahrungen, Meinungen und ihrem produktiven Widerstreit abhängt. Zwar werden sie immer mehr beschnitten, müssen immer mehr Kunst-, Literatur-, Film- und andere Kulturjournalisten um ihre ─ immer weniger werdenden ─ Stellen bangen. Aber abgebaut wird dort aus wirtschaftlichen Gründen (Kultur spielt wenig Inserate ein) und nicht, weil die CEOs der Verlage Zensur ausüben würden. Höchstens die Chefredaktoren machen Quotendruck und fragen: Warum haben wir nicht, was alle andern haben? Denn was alle andern haben, ist ihnen Beweis genug, wenn nicht für journalistische Relevanz, so doch für Klick- oder Leserzahlen. Aber auch wenn wir unsere Chefs nicht davon abbringen können, das, was alle andern haben, nicht auch noch wiederkäuen zu wollen, so befehlen sie uns doch meist nicht, wie wir das zu tun haben.
Wie kommt es also, dass wir trotzdem hundertmal das Gleiche in hundert gleichen Meinungen lesen und hören? Zurzeit gerade, warum Fifty Shades of Grey beweisen soll (für die, die gar nichts lesen: das ist das e-Book-Pendant zum gestrigen Lore-Heftliroman am Kiosk), dass die emanzipierte Frau sich wieder Unterwerfung wünscht (siehe dazu Peter Schneiders schöne Glosse in der «Sonntags-Zeitung» vom 22. Juli).
Und morgen werden wir zum hundertsten Mal lesen, dass die obszönen Gewaltorgien, die in den «Batman»-Filmen zelebriert werden, selbstverständlich null Einfluss auf einen Amokläufer hatten, der sich selbst als Joker ausgibt (für die, die gar nichts sehen: Joker ist der Bösewicht, aber auch der eigentliche Held der «Batman»-Serie, dessen faschistoides Politgeschwätz eben nicht darauf angelegt ist, beim pubertären Zielpublikum Reflexion auszulösen, sondern Identifikation). Die Filmkritik kann übrigens fast nicht anders, hat doch das Gros noch gestern die dumpfen Schwurbeleien in «The Dark Knight» als meisterhafte Auseinandersetzung mit dem Wesen des Bösen gefeiert.
Vielleicht liegt’s ja nicht nur an der Angst, den Mainstream zu verlassen, wo einer etwas vorsagt (oft genug die Spindoktoren der dazugehörigen, riesigen Vermarktungs-Maschinerie) und viele hinterher schreiben. Manchmal ist es wohl einfach nur der Mangel an kritischer Kompetenz, der in den gegenwärtigen Medienstrukturen nicht mehr erworben und nicht mehr ausgebildet werden kann. Trotzdem, wie sollen (Kultur-)Redaktionen sich legitimieren, wenn sie nur schon bei der Meinung zum Zürcher Hafenkran allen Ernstes der Frage nachgehen, wie man denn vermeiden könne, «in der Spiesserfalle» zu landen, falls man das Unterfangen nicht für Kunst, sondern für einen teuren Gag halte?
Die Antwort ist einfach: Man kann es nicht vermeiden, weil nämlich manchmal auch die Spiesser recht haben, die SVP recht hat, die «Weltwoche» recht hat. Daraus wird umgekehrt auch ein Schuh, für die Spiesser, die SVP, die «Weltwoche» etc., weil nämlich manchmal auch die Linken, die Grünen, die «Gutmenschen», die «WoZ» etc. recht haben (und meinetwegen womöglich sogar die Batman-Fans). Nur einreihen statt selber denken gilt im Journalismus nicht. Das sind wir den ermordeten Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt schuldig.
Pia Horlacher war Film- und Kulturredaktorin beim Schweizer Fernsehen, bei der «NZZ» und bei der «NZZ am Sonntag». Als Mitglied des Presserats befasst sie sich auch mit Medienfragen.
Huch, so einen Artikel vom Bildblog empfohlen zu bekommen, ist jetzt überraschend.
Ich denke, der Beitrag illustriert sehr gut das Phänomen der selektiven Wahrnehmung und die Neigung der Menschen aus jener Wahrnehmung heraus allgemeingültige Aussagen abzuleiten.
Während Sie sich (ohne jeden Beleg) darüber aufregen hundert mal zu lesen, dass ein Film nicht ursächlich für einen Amoklauf war, dokumentiere andere die Artikel der hundert Medien, die sofort (und wieder ohne jeden Belege) über Amok-Auslösende Batman-Filme und Ballerspiele phantasieren. Die unbelegt und wider jeder Logik behaupten, jemand färbe sich die Haare rot um einer fiktiven Filmfigur mit grünen Haaren zu gleichen.
Sie behaupten islamistische Todesschwadronen seien für uns eine Bedrohung der Presse- und Meinungsfreiheit. Eine Bedrohung die nur Sie und höchstens die edlen Heronen von Politically Incorrect thematisieren. Wieviele Presseleute, wurden denn hierzulande den letzten Jahren von solchen Todesschwadronen umgebracht? Und setzten sie diese Zahl doch bitte mal in Relation, zu den Gewaltakten und Morden die von Rechten verübt wurde, die auch drohen, die sogar Menschen richtig töten, die Redaktionen mit Schweine-Gedärme besudeln, wenn diese für sie unangenehme Artikel veröffentlichen und das toleriert großen Teilen der Gesellschaft. Welche Gefahr sollte man dann wohl eher thematisieren? Die massenhaft aus der Mitte der Gesellschaft Kommende oder die in homöophatischen Dosen existente Externe?
Sie behaupten vom Christentum gehe für uns doch überhaupt keine Gefahr aus. Fragen Sie dochmal die Titanic, was für harmlose Hass-Mails und Todesdrohungen sie bekommen hat, für ihre Papstsatire. Oder stellen Sie sich mal Folgendes vor:
Eine konfessionslose Mutter wird gezwungen ihre konfessionslosen Kinder in den Islam-Unterricht zu setzen und auch am islamischen Gottesdienst teilzunehmen, weil sie in einer islamischen Gegend wohnen die Ungläubige mobbt und diskriminiert.
Nun: wenn man in diesem Beispiel „Islam” durch „Christentum” ersetzt, dann hat man damit ein Urteil eines Gerichtes in der Eifel paraphrasiert. Während Ersteres undenkbar ist, ist Letzteres Realität. Natürlich thematisieren weder Sie noch die Supermänner von PI Derartiges.
Wenn ein paar gestörte Islamisten hier irgendwas veranstalten, hat das schlicht keine gesellschaftliche Dimension. Das Christentum ist aber hierzulande, in diesem pseudo-säkularen Staat, immernoch mit einer mächtigen, instutionalisierten Unterdrückungsmaschinerie am werkeln, die die Menschen und unsere demokratischen Werte nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich gefährden.
Sie behaupten, man würde sich ja nuuur über den Vatikan lustig machen. Ignorieren aber freilich die überall präsente Islamhetze, die sie zum Beispiel auch im Leitmedium für Unterbelichtung aka PI nachlesen können (aber bei weitem natürlich nicht nur dort). Von der ersten Stunde an als die Papst-Satire aufkam, haben Sie und ihre Kollegen behauptet: „Ja, beim Islam würden die sich das niiie trauen” und von der ersten Stunde an, war diese Behauptung nachweislich falsch. Sie bekommen es nur nicht mit, wenn die Titanic Ähnliches mit anderen Religionen veranstalten.
Vielleicht würden Sie die Diversität, deren Fehlen Sie hier beklagen sehen, wenn Sie sich etwas sensibilisieren würden, für die Bedürfnisse und Perspektiven von Menschen, die einen anderen Erfahrungshorizont haben als Sie.
Daher muss ich sie enttäuschen: Sie schwimmen nicht gegen den Strom, derartige Ignoranz IST der Strom.
Viele Grüße
Kinch
Jetzt erlaube ich mir mal eine Unkorrektheit:
Man darf Frauen nicht über Comics schreiben lassen. Zumindest keine, die in den Medien tätig ist. Batman nicht verstanden, setzen, sechs.
@ Kinch
ich kann nur zustimmen auf der ganzen linie….sie haben in allem was sie sagen vollkommen recht..ich ernnere mich an viele satiren über den islam die in der titanic erschienen sind..und laut titanic redakteuren kamen nicht einmal irgendwelche drohungen oder anzeigen gegen diese satiren..anderstg als bei der papst satire auf dem titelbild
@ Kinch
vielen Dank fuer diese Antwort. Sie schreibt ausfuehrlicher und besser auf, was mir auch beim Lesen durch den Kopf gegangen ist. Ich kann mich dem nur anschliessen.
Vielleicht ist der Autorin die Naehe zu den Volksverhetzern bei PI nicht aufgefallen, sie ist jedenfalls da.
@Kinch: Ich stimme Ihnen vorbhaltlos zu. Sie haben da m.E. sehr treffend die Dinge zusammengefasst. Nur eins war für mich nicht überraschend, nämlich diesen Artikel hier vom BIldblog empfohlen zu bekommen. Wenn Sie sich anschauen, wer für die heutigen 6-vor-9-Empfehlungen verantwortlich zeichnet, werden Sie feststellen, dass durch dieselbe Person bei Bildblog in den 6-vor-9-Empfehlungen auch bspw. schon mal ein Artikel der Jungen Freiheit verlinkt wurde.
zuerst einmal Dank all jenen die die reaktionären Ergüsse der Autorin treffend herausgearbeitet haben,als weiterer Punkt fällt mir die unglaublich vielen sachlichen Fehler auf! Es scheint so das Meinung/Vorurteile im Journalismus wichtiger sind als Recherche. Die Autorin hat es so zumindest in den Schweizer Presserat gebracht, dafür Chapeau.
Ein misslungener Text. Dann lieber ehrliche Sommerpause wie beim Kleinreport.
Wenn Berichte jemandem nicht passen, nutzt man seine Mittel, um weitere Berichte zu verhindern.
Man ruft bei der Redaktion an oder schickt in Diktaturen Juristen oder Polizei oder Geheimdienste. Oder das Finanzamt welches den Blinden Chinesen und Al Capone verurteilt hat.
Die Konservativen Vordenker haben doch schon zugegeben das Linke gelegentlich schon mal Recht haben. Allerdings wird immer vergessen das es nur um Linke Analysen ging und Linke „Lösungen“ meist gescheitert sind. Beim Journalismus fehlt das selber-mitdenken. Auch Crowds werden ignoriert welche Dinge oft punktgenauer formulieren und auch bessere Lösungen als noch mehr Steuern und noch mehr Zentral-Ministerien vorschlagen könnten.
In Meinungsfreien Ländern hätte ich längst ein Wiki dafür aufgesetzt wo man Presse-Fails und Unfug („Schokolade macht Schlank – PR-Meldung“ „Schokolade macht Glücklich – PR-Meldung der Valentinstag-Firmen“ „Spinat hat viel Eisen“ …) und jährlich gekaufte Berichte (speziell im Sommerloch oder auch gerne im Sommer im Tages-TV! ist die Wiederholungsquote enorm) sammeln würde.
News-Google oder die nachrichten.de-App machen klar, wie wenig Eigenleistung vorliegt und das vieles nur ohne Mitdenken von Agenturen durchgeleitet wird. Hintergrundinfos oder relevante Zusatz-Infos würden Crowds gerne mitteilen. Leider gibts keine schikanierungsfreien Orte dafür und in den vielen Kommentarforen muss man vieles ständig wiederholen statt es irgendwo einheitlich zu sammeln und nur noch darauf hinzuweisen. Z.B. die Sache mit dem Spinat oder der Schokolade. Ein Background-Wiki ist schnell aufgesetzt. Der Rechtsrahmen bestimmt, wie lange es betrieben werden darf weil jemand kritische Äußerungen nicht mag.
Bilanzierungspflichtige Manager und steuerfinanzierte Politiker mögen teilweise keine Transparenz. Bei Fußball, Formel1 und Olympia werden die Spiele auch nicht im Hinterzimmer abgehalten. Leistung kann also auch in vollem Sonnenlicht stattfinden während Hinterzimmer und Darkrooms eher zu mehr Schulden und noch mehr Miswirtschaft und noch mehr Problemen führen.
Es wäre Aufgabe der Presse, das großflächig aufzudecken als nur punktuelle Einzelfälle und ansonsten als politisches Sprachrohr der jeweiligen Verlegerfamilie zu dienen obwohl die zugehörigen Parteien auch nicht besser für den Bürger liefern als der politische Gegner.
„Und morgen werden wir zum hundertsten Mal lesen, dass die obszönen Gewaltorgien, die in den «Batman»-Filmen zelebriert werden, selbstverständlich null Einfluss auf einen Amokläufer hatten, der sich selbst als Joker ausgibt“
Sehr schwacher Artikel, vorallem da gerade durch Studien widerlegte Argumente hervorgekramt werden.
Nach den ersten Amokläufen, insbesondere Winnenden sind die Journalisten geradezu euphorisch gegen Gewaltdarstellungen ins Gefecht gezogen.
Gewaltdarstellungen simplifizierten das Böse, die Lösung war einfach und konnte bei den „verpönten Stammtischen“ (O-Ton der Autorin) gut Punkten. Sei es im Film, in der Musik, in Spielen oder gar in den Nachrichten, bestes Beispiel für eine Verfechterin dieser Thesen war die werte Autorin selbst (10.12.06).
Während mit der Zeit allerdings zahlreiche Studien erstellt wurden, die den Bezug zwischern der erhöhten Gewaltdarstellung in den Medien und dem Verhalten von Menschen nicht herstellen konnten, wechselten der Großteil von Fr. Horlachers Kollegen ihre Meinung.
Das Thema ebbte ab und kocht seitdem auf Sparflamme, um von (vermeindlich) ewig gestrigen zu jeder möglichen Zeit hervorgezaubert erinnert es an den Hasen im Hut Trick.
Fraglich aus meiner Sicht ist dementsprechend folgendes:
Ist es kritische Meinungsbildung, wenn man als Journalist wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert, weil sie einem (oder der eigenen Meinung) zuwiderlaufen? In der Schulsprache hieß das zumindest „Beratungsresistent“.
enttäuschender text.
@kinch: danke, hat mir viel tippen erspart und so treffend wäre es wahrlich nicht geworden.
@syntax: danke für den hinweis. welches datum oder zusammenhang ist ihnen nicht mehr bekannt?
Interessanter Text. Es ist völlig egal ob ich dem Inhalt zustimme oder nicht – die Intention dahinter ist es, die zählt. Und die These:
Alle schreiben das Gleiche, weil sie sich nicht trauen, anders zu sein, naja, die stimmt.
Vielleicht die falschen Argumente hervorgekramt, vielleicht zu sehr in Klischees verfallen, doch hier hat die Autorin recht. Das kann ich aus meiner persönlichen Praxis bestätigen.
Man sehe sich all die Medien an, die den gleichen Grundtenor haben. Wer wider dem Euro schrieb, wurde als Volksverhetzer und Pessimist verschrien, jetzt wird pausenlos Geld hin- und hergepumpt.
Wer das Thema «Apple» nicht in seinem Blog führt, gewinnt keinen Blumentopf.
Dass die kleinen der Masse hinterher stürmen ist verständlich, doch die großen Verleger sollten eine eigene Meinung vertreten.
Pia Horlacher auf ihrem Lipizzaner – in prachtvollem Rhythmus, elegant, temperamentvoll und engagiert. Danke.
„Manchmal ist es wohl einfach nur der Mangel an kritischer Kompetenz, der in den gegenwärtigen Medienstrukturen nicht mehr erworben und nicht mehr ausgebildet werden kann.“
Strukturen? Ausbildung? Für mich als einfache Medien-Konsumentin stellt sich die Frage: Ist da nicht ein Mangel an Haltung, Courage, Radikalität, ein Mangel an Eigenwilligkeit und Trotz, an Sprache? Wie kann d a s gefördert oder ausgebildet werden?
Wo wird das Zeug, das Fundament zur „kritischen Kompetenz“ erworben, wenn nicht in Kindheit und Jugend? Wie gehen wir um mit den Jungen? Was erwarten wir von Ihnen? Was leben wir vor?
Wenn einer nicht entsprechend angeliefert wird in die ominösen „Strukturen“ und Ausbildungsstätten ist es dann nicht wie mit einigen Pädagogen? Es wird einfach nix aus ihnen. „Es“ fehlt. Es fehlt an Persönlichkeit. 30 Weiterbildungen in Super-Duper-Didaktik und kein bisschen Erfolg; das Schiffliversenkis in den letzten fünf Reihen wird nicht unterbrochen wegen einer Weiterbildung.
Werden die Eigenwilligen, die Talente, die Sprache haben, im Betrieb zerrieben unter dem hämmernden Produktionsdruck? Hemmen oder verderben die zu tiefen Löhne? Oder leben wir in einer Zeit, die – als Konsequenz der Demokratisierung vieler Bereiche – alle und alles nivelliert? Das hemmungslose Nachdenken der Profi-Garde darüber wäre interessant – auch für die einfache Medien-Konsumentin.
Einer Gesellschaft darf nicht egal sein, wer sie beobachtet und ob sich der Beobachtungsposten, der zur Beobachtungsparty wird, etwas weltabgesondert in einer Sphäre der ewigen Selbstwahrnehmung oder im trendigen Schwarm befindet. Eine Gesellschaft müsste sehr beunruhigt sein, wenn die Klügsten (und die Gebildetsten) nicht mehr beobachten wollten oder könnten.
„Nur einreihen statt selber denken gilt im Journalismus nicht. Das sind wir den ermordeten Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt schuldig.“
Dieser Hinweis erfüllt mit Demut. Aber, Frau Horlacher, sind es sich die Journalisten nicht vor allem selbst schuldig?
Einen schönen Sommer wünscht Ihnen: Ihre Mara Meier
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@Kinch, @or, @coolray, @Patrick, @syntax, @Edgar, @Bat etc. etc. etc., @meine Herren, ich verabschiede mich jetzt aus der Runde der teutschen Dichter und Denker.
Warum habe ich das Gefuehl, dass alle paar Wochen ein weiterer Konservativer sich beschwert, dass alle (anderen) das gleiche schreiben und denken – und warum wird (gefuehlt) jedesmal vom Bildblog darauf verlinkt?
Und alle sind der Meinung, dass alle (anderen) das gleiche denken und das gleiche schreiben. Bei so viel Einigkeit koennen sie es natuerlich nicht anders machen, denn sonst waeren sie ja selbst der Mainstream und koennten sich selbst nicht als die Anderen, die Verteidiger des kritischen Denkens und gleichzeitig die Opfer des Zeitgeists, inszenieren.
Um es zu deutlich zu sagen: das ist das ewig gleiche, deutsche Rumgeopfer. Endlich kann man sich mal wieder verfolgt fuehlen.
Also, hier gibt’s so einiges…
Tut mir leid, aber das mit „Batman“ ist echt vollkommen falsch verstanden, auch wenn man Ihnen zugute halten könnte, dass sie mit sowas nur provozieren wollen. Aber es ist schlicht uninformiert und falsch, schlecht recherchiert.
Der Joker ist tatsächlich eine der beliebtesten Comic-Figuren überhaupt. Aber in Nolans Trilogie ist er eine Art militanter Systemkritiker (ebenso wie Bane) die den berühmten „99 %“ eher feindlich gesinnt sind, und auch als Demagogen dargestellt werden. Nolan hat sich dazu bereits geäußert: er will keine politischen Filme machen. Unter „Gewaltorgien“ verstehe ich mehr einen blutrünstigen Gladiatorenkampf oder ein x-beliebiges Werk von Tarantino oder das zutiefst verstörende Ende von „Wenn die Gondeln Trauer tragen“, oder auch der Schwerkampf aus „Die Ritter der Kokosnuss“. Aber Nolan’s Batman? Neiiiin…mit Ausnahme des Bankraubs im zweiten Teil sieht man so gut wie keinen Blutstropfen. Der Joker vergiftet den Polizeichef, schlitzt einem Batman-Nachahmer die Kehle auf (man sieht es aber nicht) und hängt ihn an einem Hochhaus auf. Er plaziert eine Autobombe im Gefährt der Richterin (man sieht die Explosion). Zelebrieren einer Gewaltorgie? Das besondere an der Figur des Batman ist doch gerade, dass sie so widersprüchlich ist, das „Gute“ mit Mitteln des „Bösen“ bekämpft und dabei immer unsicherer wird, wer auf welcher Seite steht, ob man diese Trennung so einfach vornehmen kann, und wer er selbst ist. Dieses Thema wird alles andere subtil dargestellt, deswegen ist es mir ein Rätsel, wie sie zu diesen Schlüssen kommen konnten. So ist auch das „faschistoide Politgeschwätz“ Banes einzuordnen – schließlich steht er vor den gleichen Fragen wie Batman, und stellt sich ebenso wie er über das Gesetz, und hat ebenfalls ein „höheres Ziel“.
Selbst bei der meiner Meinung nach sehr viel düsteren Interpretation von Tim Burton gibt es keine „Gewaltorgie“.
„Das Christentum ist aber hierzulande, in diesem pseudo-säkularen Staat, immernoch mit einer mächtigen, instutionalisierten Unterdrückungsmaschinerie am werkeln, die die Menschen und unsere demokratischen Werte nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich gefährden.“
Man möchte sagen: Achso, wo kommen die demokratischen Werte denn her?
Hier mal einige Beispiele für „Batman-Philosophie“ (die, wie gesagt, recht leicht ist)
(Nolan)
http://www.youtube.com/watch?v=9J6J5BcHFCs
http://www.youtube.com/watch?v=AtAXRygVZFM&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=uQr6GrgSPnw&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=ohU16OiduUs
(etwa ab 1 min)
http://www.youtube.com/watch?v=ZRG1tWQN6e8
http://www.youtube.com/watch?v=yDtZa5csAGw&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=3CvREXabdME&feature=related
(Burton)
http://www.youtube.com/watch?v=2JVqUuNZxXA
Nicht gefunden: Die Szene aus „Batman Begins“, in der Bruce Wayne beinahe Joe Chill, den Mörder seiner Eltern umbringt -> es wird klar, dass Batman nur eine Art Therapie für seine Rachegelüste ist.
Außerdem: wieder „Batman Begins“; Ra’s al Ghul und Batman diskutieren den Untergang von Zivilisationen dank der „Liga der Schatten“, die nur durch totale Zerstörung Blütezeiten herstellen konnte
Selbstverständlich ist das alles ziemlich oberflächlich, aber offenbar scheinen Sie nichts davon zu kennen oder berücksichtigt zu haben, haben aber einfach mal „drauflos“ geschrieben, was ihnen zu irgendeinem Film der ins Action-Genre eingeordnet wird, einfällt.
Theoretisch wissen alle Journalisten und -innen, dass die diffuse und meist sehr oberflächliche Erinnerung an das „ideale Beispiel“ aus Film, Fernsehen, Funk, Literatur, Kulturgeschichte etc. einer Recherche nur selten standhält. Wie oft schon musste ich wunderbar reisserische und knallige Aufhänger einstampfen, weil sie … nicht zum Thema passten. Aber wer mit seinem Text bestehen will, muss halt den Mut haben, das Luftschloss kaputtzurecherchieren.
noch ein kleiner nachtrag, da ich bei burton so wenig habe:
http://www.youtube.com/watch?v=p-c-pRsZR9g
@) Mara Meier, so viele Fragen, wo es doch sehr, sehr kurze Antworten gibt:
„Ist da nicht ein Mangel an Haltung, Courage, Radikalität, ein Mangel an Eigenwilligkeit und Trotz, an Sprache?“ – Ja.
„Wo wird das Zeug, das Fundament zur “kritischen Kompetenz” erworben, wenn nicht in Kindheit und Jugend?“ – Ja.
„Werden die Eigenwilligen, die Talente, die Sprache haben, im Betrieb zerrieben unter dem hämmernden Produktionsdruck?“ – Ja.
„Hemmen oder verderben die zu tiefen Löhne?“ – Ja.
„Aber, Frau Horlacher, sind es sich die Journalisten nicht vor allem selbst schuldig?“ – Ja.
sie wissen schon, was eine rhetorische frage ist?
@) Peter, Sie wissen schon, was eine rhetorische Antwort ist?
@mienemone: BildBlog selbst hat den Link nachträglich entfernt und eine kurze Erklärung dazu abgegeben. Zu finden dort: http://www.bildblog.de/33657/trolle-thomas-knuewer-bleisatz/
Was eine Besprechung von „Batman“ in der angeblich seriösen NZZ zu suchen hat, ist tatsächlich eine legitime Frage, und sie lässt sich auch bei vielen anderen Artikeln (nicht nur in der NZZ) stellen. Auch die endlosen Debatten über den Hafenkran dienen den Eliten nur dazu, die Kunst insgesamt systematisch herabzuwürdigen, damit mehr Platz für Entertainment geschaffen werden kann. Man muss Artikel über Facebook, Porno-Romane, Geschwätz über Befindlichkeiten, Design, Stilfragen, schlechte Kinofilme, Popstars und anderes belangloses Entertainment bringen, anstatt dass man über anspruchsvolle Philosophie, mathematische Erkenntnisse (NZZ-Kolumnen von George Szpiro!) oder tiefsinnige Kunst schreiben darf. Der entleerte Kulturbegriff der 68er kommt den Neoliberalen gelegen, um das Gedankenfutter zu entsorgen. Das Feuilleton wird regelrecht ausgehungert und ist in Gratismedien praktisch inexistent. Wo bleibt da die Erziehung des Bürgers? Wo bleibt die Verantwortung der Eliten?
Die Journalisten – ich habe schon mit mehreren darüber gesprochen – sind darob frustiert, wenn ihre Freiheit von oben herab eingeschränkt wird. Eine kommerzialisierte Presse zielt letzten Endes nicht nur am gebildeten Leser und interessierten Heranwachsenden vorbei, sondern degradiert den Journalisten zum schlechtbezahlten Büroangestellten und eliminiert die Kreativität, d.h. kritisches Denken und den Mut zum Neuen. Das sind gemäss Hannah Arendt Elemente totaler Herrschaft.
Der gebildete Leser wird sich damit zunehmends von der klassischen Zeitung abwenden, während die Leute, die am Baby-Brei interessiert sind, sich ohnehin kein Abo leisten wollen, da ja Baby-Brei in den Gratis- und Online-Medien zur Genüge vorhanden ist. Wer nur noch Baby-Brei frisst, dem werden auch Gehirn & Emotionen auf der infantilen Stufe verbleiben. Die Sinnlichkeit, die in der Kunst in selbstkritischer Weise thematisiert wird, ist auch zur Erkenntnis da, nicht zur Venebelung. Wir haben fünf oder mehr Sinne, die wir reflektiert gebrauchen sollten. Wer nur noch in einem Bad von Emotionen zuhause ist und keine kritische Distanz zum Wahrgenommenen entwickelt, ist anfälliger für Kurzschlusshandlungen. Die Gesellschaft verroht zunehmends, wird infantil und ist letztlich mit der Eliminierung von Kreativität und Freiheit sowie der dekadenten Tyrannei des Gewöhnlichen nicht mehr konkurrenzfähig.
Herr Läubli,
„Was eine Besprechung von “Batman” in der angeblich seriösen NZZ zu suchen hat, ist tatsächlich eine legitime Frage, und sie lässt sich auch bei vielen anderen Artikeln (nicht nur in der NZZ) stellen“
Um es möglichst kurz zu machen, da diese Frage schon von anderen gestellt und besser beantwortet wurde, als ich das könnte, verlinke ich Ihnen hier ein paar Artikel.
1. Zwei Artikel zur Frage, ob ein Film gewürdigt werden darf, wenn er Mainstream wird, beide von Jim Emerson (der Assistent von Ebert, falls dieser Ihnen ein Begriff ist).
http://blogs.suntimes.com/scanners/2012/07/superheroes_good_vs_evil_isnt_.html
http://blogs.suntimes.com/scanners/2012/07/good_bad_or_mediocre_theres_st.html
2. Eine hervorragende Batman-Interpretation (den sich im Übrigen auch Frau Horlacher wenigstens mal ansehen sollte…):
http://thinkprogress.org/alyssa/2012/07/26/581591/dark-knight-christopher-nolan/
Tatsache: Auch der aktuelle Batman könnte nicht weiter entfernt sein von einer Gewaltorgie als ein Wattebausch im freien Flug (unter einem Regenbogen). Wer anderes behauptet, sollte sofort gefriergetrocknet oder zu einer Schweigeminute verdonnert werden; er darf frei wählen, und wird dann gefriergetrocknet.
Eher haben wir es zu tun mit einer subtilen Analyse des sog. „Bösen“, das nur so strotzt vor Ambivalenz, raffiniertest verkörpert von der schillernden Figur des „Bane“, der zu Beginn (ca. 150 Minuten) alle, die ihn treffen und nicht sofort Grüezi sagen (in drei Landessprachen und zehn rätoromanischen Idiomen), niederschlägt, ihnen das Genick bricht oder dem Mob überlässt, „Bane“, der entführen, abknallen, verrotten, brandschatzen, im Atompilz aufgehen lässt, der mit Bazookas kuschelt und in seiner knapp bemessenen Freizeit wahrscheinlich über Systemtheorie und Massenpsychologie nachdenkt…bevor dem Zuschauer klar wird, dass auch ein „Bane“ zarte Gefühle entwickeln und – Achtung, nichts für schwache Nerven: w e i n e n kann, weiss, dass er ein In-die-Welt-Geworfener ist, war, sein wird, metaphysisch obdachlos; das braucht Mut, hey! Grosses Kino. Grosse Analyse.
Zwischen den Detonationen: etwas Plot, glaube ich. Auch der: Brillant! Habe nicht alles verstanden, aber ich bin sicher.
Mehr-oder-weniger-Bum-Bum-Filme (Action/Science-Fiction/Fantasy/Comic-Verfilmungen/Thriller ohne Anspruch) konsumiere ich üppig seit Ende 80iger Jahre, ziehe sie (zusammen mit haarsträubenden Komödien) jeder Romanze/Schnulze vor, jeder sozialkritischen Auseinandersetzung und jedem Leinwandprodukt mit künstlerischem Anspruch. Bin so etwas wie ein Fan. (((Hat mich nicht verändert, war schon vorher böse.))) Was mich hier (weiter oben) stört, ist einzig, dass so getan wird, als wäre hinter Batman mehr als Bum Bum Bum Bum Bum Bum Bum Bum Bum Bum Bum. Dem ist nicht so.
Informiertes Wissen ist hier zu finden:
DARTS Centre: http://www.dartcenter.org/
Aua, nein FALSCH. Der Film provoziert keine Reaktion, der ist nur Abgussform späteren Verhaltens. Provoziert wird durch peinlich genau Berichte über eine durchgebrannte Sicherung. Siehe copy cat effect blog. Dort hat es – vermischt mit nebliger Zahlen- und Mythenspielerei – handfeste Hinweise darauf, wie sich labile Menschen mit deftigen Plänen durch die Berichterstattung zu ähnlichen Plänen verleiten lasssen. Deswegen auch die wellenhafte Gewalt. Filme und speziell Kinofilme sind hier nur das Substrat. Auslöser ist mehr der Zufall und dann die Echokammer der Echtzeitmassenmedien.