Ende Juni fand an der Universität Zürich eine Debatte zum Thema «Leitmedien nach der Krise» statt. Eingeladen waren Medienwissenschaftler, Politiker und Medienschaffende, die einen Tag lang diskutierten. Nachdem in letzter Zeit die Medien von der Wissenschaft vor allem als Prügelknaben benutzt worden waren, versuchte diese Tagung auf wohltuende Weise alle Aspekte des Medienwesens abzubilden, also auch die praktischen aus der Sicht jener, für die Medien vor allem einmal Brotwerwerb bedeutet.
Dennoch hielten sich an den vier Podiumsdiskussionen hartnäckig die Klischees. Politiker monierten die schlechte Ausbildung der Journalisten, die vor allem dumme und unbedarfte Fragen stellen würden. Die anwesenden Journalisten liessen es sich gefallen, ohne den naheliegenden Hinweis zu machen, dass es in diesem Land noch nie so viele Ausbildungsmöglichkeiten im Medienbereich gab wie heute. Es wurden Leute zitiert, welche die Lage des Schweizer Journalismus als kurz vor dem «Grounding» einstuften. Es wurde unwidersprochen noch immer die verrückte These vertreten, dass guter Journalismus einhergeht mit einem möglichst hohen Textangebot und mit möglichst dicken Zeitungen.
Anwesende Medienwissenschaftler wiederholten das vierteilige Ceterum censeo des helvetischen Medienniedergangs: 1. Ressourcenabbau, 2. Titelschwund, 3. Regionalmonopole und dadurch schliesslich 4. allgemeiner Qualitätsverlust. Ein bekannter Soziologe und Medienwissenschaftler behauptete gar, wegen des schlechten Journalismus würden die Parteien wegsterben, es finde eine Desintegration der Parteien statt. (N.B.: An den vergangenen Churer Stadt- und Gemeinderatswahlen haben noch nie so viele Parteien teilgenommen wie heuer …)
Vereinzelt versuchten Podiumsteilnehmer diese rückwärtsgewandte, kulturpessimistische Nörgelhaltung zu kontern, doch der Widerstand blieb blass. Anscheinend nehmen Journalistinnen und Journalisten achselzuckend hin, dass sie von ziemlich durchschnittlicher Qualität sind und dass ihre Verleger nur Mammon im Kopf haben. Dabei wäre es wirklich an der Zeit, das immense wissenschaftliche Potenzial, das in der Schweiz in der Medienforschung bereitsteht, konstruktiv zu nutzten. Immerhin machte das Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Uni Zürich mit dieser Tagung einen Anfang.
Einen interessanten Ansatz vertritt aber auch «NZZ»-Medienredaktor Rainer Stadler. In der «NZZ» vom 23. Juni skizziert er unter dem Titel «Wie man dem Journalismus helfen könnte» ein Konzept, das die Medienwissenschaft von ihrem Nörgel-Katheder herunterholt und in die Redaktionsstuben treibt. Er macht den Vorschlag, dass Redaktionen Akademiker beauftragen, ihre Leistungen innerhalb eines Jahres zu analysieren. Die Ergebnisse würden dann praxisnah zwischen den Forschern und den Journalisten diskutiert und auch veröffentlicht. So würde manches Missverständis und manches Klischee beseitigt und echte Verbesserungen würden ermöglicht. Wer macht den Anfang?
Andrea Masüger ist CEO der Südostschweiz Medien.
Ja, die Nörgelei. Okay, die kann nerven. Aber Journalisten sollen sich ihrer eigenen Haut gefällig selbst erwehren (was @)Andrea Masüger hier tut und sich ein doppeltes Bravo! gutschreiben kann) und nicht akademischen Beistand erflehen, dass sie doch gar nicht so schlecht seien, wie alle Welt behaupte.
Hmm.
Wenn einem Restaurantgast das Essen nicht schmeckt, hat es wenig Sinn, ihn beruhigen zu wollen, man werde das sofort wissenschaftlich beobachten und untersuchen lassen, um festzustellen, wer Recht habe: Koch oder Gast.
Der Koch stehe schliesslich unter enormem Zeitdruck. Alle wollten möglichst schnell, günstig, originell, exklusiv, schmackhaft und nur mit unversfälscht natürlichen Speisen bedient werden, und dazu erst noch freundlich in aufwändigem Ambiente. Und das bei den horrenden Personalkosten! Und gegen die Fastfood-Konkurrenz und immer besser werdendende Fertigmenüs aus dem Supermarkt! Und dann dieses ewig besserwisserischen Hobbyköche!
Das Klagen des Kochs interessiert den Gast nicht. Entweder es schmeck ihm oder es schmeckt ihm nicht, es ist seinen Preis wert oder halt eben nicht.
Selbst wenn der Gast gar nicht genau angeben kann, warum und was genau ihm nicht passt: Er hat den subjektiven Eindruck, dass es ihm nicht schmeckt. Punkt.
Wenn das viele Gäste gleichzeitig sagen, hat das Restaurant ein existenzielles Problem. Da hilft kein akademisches Care-Team.
Dann gehen die Gäste eben sonstwohin, notfalls zum 5-Minuten-Imbiss (20Minuten lang wartet dort keiner!), wo man zumindest die nötigen Kalorien intus kriegt, auch wenn man mit gelegentlichen Darmstörungen rechen muss. Oder, noch besser: Man kocht lieber selbst zu Hause, nach aufwändigsten Rezepten aus dem Internet, dauert länger, aber man hat in der Regel mehr davon.
Klar hinkt dieser Vergleich. Aber nicht so sehr, wie es zunächst scheint.
katheder?
als nichtjournalist, nichtwissenschaftler, nichtlateiner etc. glaubte ich zuerst, dieses wort im titel sei ein fehler und müsste katheter heissen. darauf las ich den text ein zweites mal und konnte auf anhieb keinen kontext zu klistierähnlichen machenschaften entdecken. (na ja, mit viel fantasie wäre das möglich …)
dann konsultierte ich wikipedia und alles war klar. danke wikipedia.
keine ahnung, wieviele der hier mitlesenden (und mitlesinnen) das wort „katheder“ kennen. ich tippe – ohne der medienzunft allzu rupplig auf die füsse treten zu wollen – auf eine krasse minderheit.
henusode – herr masüger führt damit das kernproblem schon im titel vor. will heissen: er hat sich von seiner leserschaft schon ziemlich weit entfernt. vielleicht ist das ja das kernproblem der alten medienhäuser. veilleicht mangelt es ihnen weniger an kunden, als an fans. und an einfacher sprache.
davon abgesehen lesen wir hier von herrn masüger einmal mehr eine kritkerschelte, wie sie wehleidiger nicht sein könnte. das ist natürlich sein gutes recht. aber irgendwo hab ich mal gelesen: unternehmer sollten nicht jammern, sondern innovieren.
Ach ja. http://kress.de/tagesdienst/detail/beitrag/117036-kurt-kister-wettert-gegen-berater-und-digital-nerds-die-gute-zeitung-wird-bleiben.html
@) danke Vera, für den Link: „…österreichische oder spanische Design-Schamanen…Unternehmensberater… Digital-Nerds“…Darunter kann ich mir lebhaft etwas vorstellen. Wer ihnen mal ausgeliefert war, weiss, was es bedeutet. Im Schwarm sind die furchtbar. Aber nur zu sagen, die gute alte Zeitung wird’s schon schaffen, reicht auch nicht, Kollege Kister. Die Leser müssen jeden Tag überzeugt werden, sonst sind sie weg und kommen nie wieder. Das kostet enorme Substanz, finanzielle und ideelle.
Korrigenda: Der oben angesprochene Soziologe und Medienwissenschaftler behauptete mitnichten, dass aufrgund „des schlechten Journalismus (…) die Parteien wegsterben (wuerden)“ und „es finde eine Desintegration der Parteien statt“. Vielmehr hat der Genannte zum Ausdruck gebracht, dass Ersteres in politischen Gemeinden ganz ohne Öffentlichkeit stattfinde. Von Letzterem war nicht die Rede.
Austausch Wissenschaft – Medien ist wichtig, deshalb haben wir ja eingeladen. Aber man sollte besser zuhören. Schade.
Natürlich kann der eine für den Schmand des anderen nichts, aber es brennt sich halt doch dort ins Gehirn wo die Verknüpfung «Journalismus» abgelegt ist.
@) Ugugu: Man müsste eine neue Kategorie schaffen: neben Journalisten die Story-Tellers (kurz: Storts), damit das nicht immer durcheinander kommt. Das Gleiche für die Wemf-Kategorien zur Messung der Reichweite der einzelnen Medien: Storts Media als neue Kategorie. Das wird dann bald womöglich die längste Spalte…
Grosser Irrtum: Der Niedergang des Journalismus wird nicht vom Katheder herab gepredigt, sondern von den Leserinnen und Lesern festgestellt. Da nützt Alles-ist-doch-gut-Rhetorik seitens der Verantwortlichen nullkommanix. Oder weshalb glauben Sie, dass die Leserzahlen dramatisch sinken? It’s the quality, stupid! Ich lade Herrn Masüger gerne mal einen Tag nach Zürich ein und dann reden wir mit 100 zufällig ausgewählten 20- bis 40jährigen. Aufgrund meiner Erfahrung wette ich: eine satte Mehrheit teilt die «rückwärtsgewandte, kulturpessimistische Nörgelhaltung» und liest keine Schweizer Medien mehr, weil sie mit der Qualität des Angebots nicht (mehr) zufrieden ist. Wann, Herr Masüger, beginnen Sie, Ihre Kunden ernst zu nehmen, statt eeeeeeendlos an den Überbringern der Botschaft rumzumäkeln? Das wird Ihnen nichts helfen.
Ich habe schon oft gefordert, man solle doch endlich den Kunden zu seiner Zufriedenheit befragen. Das Ganze bitte nicht mit oberflächlichen Fragebögen, sondern differenziert, damit nicht der Sportmuffel den Sport beurteilt und der Kulturdesinteressierte die Kultur. Die Gratismedien nicht ausklammern (nichts ist gratis!), wie Rainer Stadler meint, denn auch diese beeinflussen die Weltsicht des Schweizer Bürgers. Berücksichtigen, dass Qualität eine Rolle spielt (sonst wäre wegen der kürzlich veröffentlichten Ergebnisse zum Fernsehkonsum das Fernsehen nach wie vor das Top-Qualitäts-Medium). Vielleicht würde dann der CEO Masüger angesichts der Ergebnisse endlich vom hohen Ross hinuntersteigen.
Nur ein Hinweis zur Ausbildungssituation von Schweizer Journalisten und damit zu einem weit verbreiteten Irrtum:
Gerade in Zeiten des Wandels und beim Aufkommen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien müsste ja erwartet werden, dass die Aus- und Weiterbildung an Bedeutung gewinnt. Gemäss regelmässig durchgeführten Journalistenbefragungen trifft es jedoch nicht zu, dass heute deutlich mehr Journalisten berufsspezifisch ausgebildet sind als früher. Ein flüchtiger Blick in die Bildungsszene mag diesen Eindruck wohl bei manchen erwecken („oh, es gibt mehr Ausbildungsangebote“), statistisch lässt er sich aber nicht erhärten. Im Gegenteil (und das ist plausibel zu erklären): Ein Blick auf die Aus- und Weiterbildungssituation der Journalisten in der Schweiz ist ernüchternd. 2008 geben nur gerade 30 Prozent der Schweizer Journalisten an, sie hätten eine Journalisten-Schule besucht. Die Unterschiede zwischen den Medientypen sind da eklatant. Im Privatrundfunk sind es 16 Prozent und im Onlinebereich 14 Prozent. Der Anteil derjenigen Journalisten, die niemals mit einem berufsspezifischen Ausbildungsangebot in Kontakt gekommen sind, nahm in den letzten zehn Jahren sogar von 13 auf 16 Prozent zu. Man stelle sich mal eine andere Profession (Ärzte, Wissenschaftler, Anwälte etc.) mit ähnlichen Zahlen vor…..
Ein weiterer Indikator für die Geringschätzung von Weiterbildung im Schweizer Journalismus: 60 Prozent der Befragten geben an, dass sie im letzten Jahr keine Weiterbildung genossen haben. Die meisten Journalisten sind denn auch eher unzufrieden mit ihrer Weiterbildungssituation. Diese Tatsachen und Einschätzungen hindern 84 Prozent der Journalisten aber nicht daran anzugeben, dass sie sich für ihren Job adäquat ausgebildet fühlen.
Ein echter Hammer @ Vinzenz Wyss, weil ich es bisher immer anders hörte, insbesondere aus den obern Etagen der Medienhäuser. Wenn Ihre Stellungnahme zu keinerlei Reaktionen der unmittelbar Be- und Getroffenen führen sollte, ausser, das sei halt wieder die übliche akademische Nörgelei, dann zweifle ich wirklich an den Selbstheilungskräften dieser meiner Branche.
Da muss keiner reagieren. Es ist einfach so, dass die Hoffnung auf die Selbstheilingskräfte eine naive Haltung ist, von der übrigens manche profitieren. Brisant ist der Befund einfach auch deshalb, weil der Bundesrat in seinem Bericht zur Zukunft der Medien (ob naiv oder interessengeleitet ist schwer zu beurteilen) angesichts der festgestellten Probleme im Medienbereich ausschliesslich auf die Eigenverantwortung und Selbstregulierungsfähigkeit der Medien setzten will. In diesem Zusammenhang werden auch vermehrte Anstrengungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Journalisten genannt. Das ist nun wirklich lächerlich. Es offensichtlich ist, dass nicht die Ausbildung, sondern die prekären Arbeitsbedingungen und deren Ursachen und ökonomischen Rahmenbedingungen das Problem sind. Auch als Journalistenausbildner an der ZHAW mache ich oft die Erfahrung, dass junge Journalisten trotz Baisausbildung dem Beruf aus dem Weg gehen, weil sie rasch realisieren, dass sie auf den Galleren keinen relevanten Beitrag zur öffentlichen Selbstbeobachtung leisten können. Da ist der Sprung etwa in die PR oft naheliegend. Auch dazu haben wir selbtstverständlich systematisch erhobene Daten und nicht einfach individuelle Eindrücke, auf die wir uns bei der Analyse des Problems stützen.
ABER. Insgesamt teile ich ja voll und ganz das Anliegen von Andrea Masüger und von Kurt Imhof. Wenn die Medienwissenschaft und Medienbranche/Medienpraxis nicht damit beginnen, aufeinender zuzugegehen, bleibt die Medienwissenschaft mit ihren durchaus plausiblen Analysen folgenlos und die Medinepraxis versinkt in larmoyanter Selbsttäuschung. Wirksame Medienkritik und damit auch wissenschaftliche Analyse erfordern die Reflexivität zwischen Beobachtern und Beobachteten. Sie ist nur interaktiv möglich, indem die Medien selbst auf Beurteilungen reagieren und Fremdbeobachtung zur Selbstbeobachtung machen. Die Mobilisierung der ewig gleichen Abwehrreflexe auf beiden Seiten (seit 1985 wird das Verhältnis zwischen Journalismusforschung und Praxis untersucht und die Befunde sind immer und überall die gleichen – auch in den USA) bedeuten nur Zeitverlust. Im Unterschied zu früheren Zeiten, als die Wissenschaftler noch Witze über die Refelxe der Praxis machen konnten, geht es uns heute alle an, und es geht ans Eingemachte. Die Tagung am IPMZ war durchaus als eine Einladung zum Austausch zu verstehen und nicht als eine Predigt von der Kanzel, der man in der Praxis (und das weiss die Wissenschaft) niemals zuhören will. Der Austausch sollte weitergehen und vielleicht können auch die gut gemeinten Rezepte von Rainer Stadler den Prozess etwas anstossen.
Als Praktiker kann ich jede Silbe von Andrea Masüger unterschreiben. Auf dem hohen Ross sitzt, wenn schon, jener Teil der Medienwissenschaft, der seit Jahren reichlich weltfremd die immergleichen Thesen predigt und sich dabei auf zumindest fragwürdige Studien beruft.
Die Medienwelt ist im Wandel, die Medienkonsumenten bedienen sich genüsslich aller Medien, die sie bekommen. Logisch, dass darunter insbesondere traditionelle Zeitungen leiden. Wer diesen Blättern aber die Rückkehr in die siebziger Jahre empfiehlt, wie dies teilweise geschieht, hat noch nie einen Leser oder eine Leserin gefragt, was er oder sie eigentlich will.
Die Schweizer Medien machen ganz sicher nicht alles richtig, insbesondere die um klassische Zeitungen herum entstandenen Medienhäuser machten etliche Fehler. Das werden sie auch in Zukunft tun: Weil sie wenigstens versuchen, ihre künftige Rolle zu finden. Bei dieser Suche wäre der echte Dialog auch mit der Medienwissenschaft wichtig – und der findet ansatzweise auch statt. Es gibt zum Glück Medienwissenschafterinnen und Medienwissenschafter, die nicht nur Scharfrichter spielen, sondern durchaus Interesse für ihren Forschungsgegenstand aufbringen.
Noch ein Wort zur Ausbildung: Es liesse sich wohl problemlos beweisen, dass das durchschnittliche Bildungsniveau der heutigen Berufseinsteiger höher ist als früher. Ebenso gibt es in den Unternehmen selbst wie auch mit unterschiedlichsten Institutionen von MAZ über Fachhochscshulen bis zu Universitäten heute Angebote, die es früher schlichtwegs nicht gab. Ein Problem ist es aber tatsächlich, bestandene Berufsleute zu (sinnvollen) Weiterbildungen zu motivieren – daraus zu schliessen, dass die Qualität dieser Leute schlecht wäre, ist hingegen ignorant und realitätsfern. Ein Grund für die Weiterbildungsresistenz: Es gibt nach wie vor kaum adäquate und attraktive Angebote. Das zu ändern wäre ganz praktische und hochwirksame Presseförderung.
Nochmal: Ja, es gibt mehr Ausbildungsangebote als früher. Daraus zu schliessen, dass es heute schon mehr Ausgebildete im Beruf gibt, wäre aber falsch. Offenbar scheuen viele Ausgebildete das, was sie in der Praxis antreffen. Ein bisschen journalistische Praxis erhöht zudem in manchem nichtjournalistischen Berufsfeld der Kommunikation die Einstiegschancen. Und: auch im Journalismus kann Weiterbildung – gerade bei alten Hasen – nicht schaden. Angebote gibt es genug, notfalls auch im Ausland, wo man nicht auf Berufskollegen stösst. Es mag sein, dass ein Grund für die Weiterbildungsresistenz im wahrgenommenen Mangel an geeigenten Angeboten liegt. In den Befragungen ist mir diese Begründung aber kaum begegegnet; wenn, dann nur als offensichtliche Ausrede.
Aber der Punkt Ausbildung war ja im Beitrag Masüger nur eine Detailbemerkung, die ich einfach rasch korrigieren wollte. Wir sollten unsere Zeit nun wirklich nicht damit verschenden und gegenseitig Ignoranz, das hohe Ross oder Weltfremdheit vorzuwerfen. Lasst uns doch mal mit dem gemeinsamen Anliegen, dem wünschbaren Dialog in einer Zeit der Ungewissheit, beginnen.
„Und: auch im Journalismus kann Weiterbildung – gerade bei alten Hasen – nicht schaden.“
Es überrascht nicht sonderlich, dass Sie das so sehen. Die Aus- und Weiterbildungsindustrie fand es ja auch nötig, einen Bachelor of Arts in Pre-Primary Education sowie einen Bachelor of Science BFH Hebamme zu konstruieren.
Da eine valide Einstufung der Printmedien bezüglich Qualität angeblich kein Problem sein soll (siehe die Arbeit von Prof. Imhof und seinem Team): Wurde in der Schweiz jemals ein Zusammenhang zwischen dem Anteil der Journalisten, welche eine Journalistenschule besucht haben, und der Qualität eines Printtitels festgestellt?
Meine Thesen:
1. Im deutschsprachigen Raum arbeiten bei Zeitungen, die gemeinhin als Qualitätsblätter wahrgenommen werden, tendenziell relativ wenige Abgänger von Journalistenschulen.
2. Ein Fachstudium befähigt eher zu einem Platz bei einem Qualitätsblatt als das Absolvieren einer Journalistenschule.
3. Das Leben ist geprägt von Opportunitätskosten: Die Journalistenschule konkurriert mit dem Fachstudium, die Weiterbildung mit dem Lesen eines grossartigen Buches oder mit der Rechereche an einer Story.
4. Hochstehender Journalismus zeichnet sich vor allem durch seinen Inhalt aus. Der Rest ist nur Beigemüse.
5. Das Beigemüse, das an Journalistenschulen gelehrt wird, ist zwar alles andere als unwichtig, aber grösstenteils in der Praxis erlernbar (sprich: Handwerk). Talent, Engagement und Intelligenz vorausgesetzt, lässt sich der handwerkliche Teil des Berufs relativ leicht erlernen.
Ich muss zugeben, dass ich in den meisten Punkten übereinstimme (obwohl ich es gerne anders hätte ;-) Sogar im letzten Punkt: Das praktische Handwerk lernt man am besten unter Echtbedingungen – also in der Praxis (das ist auch bei mir der Fall). Dennoch ist es natürlich gut, wenn einem das Wissen von Profis auch im „geschützen“ Rahmen der Journalistenschule weitergegeben wird und dort ev. auch hinterfragt werden kann. Als Journalistikprofessor an der Hochschule ZHAW habe ich in der Lehre zudem den Auftrag, den Studierenden auch theoretisches Rüstzeug mit auf den Weg zu geben. Zugegeben ist das meist nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Der theoretisch gesättigte Blick etwa auf den Medienwandel oder auf routinisierte Produktionsprozesse lassen uns aber Dinge sehen, die im Alltag verschwommen blieben. Oft auch Dinge die im redaktionellen Alltag irritieren, weil sie eingeschliffene Routinen in Frage stellen. Immerhin tauscht sich die Journalistik über Landes-und Sprachgrenzen hinweg aus und wäre ohne ständige Weiterbildung kaum glaubwürdig.
Ich stimme für einmal dem Skepdicker zu. Man kann die Praxis noch so sehr betonen und den Theoretiker weltfremd schimpfen, Basis ist und bleibt die theoretische Ausbildung, der Rest ist Beigemüse. Warum etwa Leute, die nie jahrelange Gehörbildung gehabt geschweige denn ein Instrument erlernt haben, Konzertkritiken schreiben sollten, ist erklärungsbedürftig. (Das gilt auch für Wissenschaft und Wirtschaft, aber da ist es für die meisten eher selbstverständlich.) Die Qualität einer Zeitung geht ins Provinzielle, je mehr Generalisten anstelle von Fachjournalisten schreiben. Wer das nicht zur Kenntnis nimmt, ist ignorant oder realitätsfremd. Also nochmals: Hat eine Zeitung in nicht-oberflächlicher Weise je ihre Leser befragt, „was er oder sie eigentlich will“? Wenn nein, was soll die Rede vom Elfenbeinturm, Katheder etc.?
Das Niveau dieser Debatte und vermutlich auch der Journalistenausbildung würde markant angehoben, wenn sich die Medienwissenschaftler in ihren Verlautbarungen um etwas Deutschähnliches bemühen täten.
Verstehen Sie das Deutschähnliche der CEOs besser? Was ist denn eine „rückwärtsgewandte, kulturpessimistische Nörgelhaltung“ anderes als ein Ausdruck subjektiver Befindlichkeit des Sprechers, der sich in die Ecke gedrängt fühlt? Sind Ökonomen derart auf kurzfristiges Denken getrimmt, dass sie offensichtliche Fehler unter den Tisch kehren und dem Zweckoptimismus huldigen? Ich habe die leise Hoffnung, dass noch einsichtige und vernünftige Exemplare darunter zu finden sind.
@ Herr Läubli: Meines Wissens ist Herr Masüger kein Ökonom. Laut den im Web verfügbaren Informationen absolvierte er zunächst eine Lehre als Fotograf und arbeitete danach Jahrzehnte als Journalist. Sie sollten also Ihre Verbalinjurie zurücknehmen und sich bei ihm entschuldigen – bekanntlich ist „Ökonom“ für Sie ein übles Schimpfwort.
Ich schliesse mich Skepdicker mit einem :-) an. Und ich freue mich, morgen einen der angesprochenen oder zumindest sichgemeintfühlenden Medienwissenschafter zu treffen. (Was Sie angeht, Herr Läubli: An Stil und Grammatik Ihrer Beiträge ist ja nichts auszusetzen.)
Naja, wenn ich bedenke, mit welche Verbalinjurien Journalisten und die rechtsstehende Classe Politique meinesgleichen beschimpft, dann wäre zuerst eine Entschuldigung von eurer Seite fällig. Was man sich heute als Künstler, als Geisteswissenschaftler, als Intellektueller etc. alles anhören und gefallen lassen muss! Und wenn man mit gleicher Wortgewalt zurückschlägt, sind die Mimosen beleidigt. Die Ökonomen und Juristen da oben dürfen austeilen, die kleine Wurst soll dagegen Ruhe geben. Ich halte nichts von solchen Machtdemonstrationen und habe aufgehört, Leute mit mehr Geld als Autoritäten anzuerkennen. Ich lasse mich ebensowenig wie Blocher einschüchtern, gehe meinen unbequemen Weg und hoffe auf die Kraft der Vernunft und der Einsicht, die zu einem Umdenken in der kommerzialisierten Presselandschaft führen muss.