Nun machen wir hier mal ein wenig auf Midrisk-Journalismus:
Wie mir ein Medienspiegel-Leser mitteilt, war gestern Freitag auf dem News-Aggregator «Finanzen100.de» folgendes zu lesen:
Klickt man auf den Link «mehr bei Tagesanzeiger», erscheint jedoch eine leere Seite:
Einzig die URL sowie die Titelleiste des Browsers lassen erahnen, dass das weisse Feld einst mit Text gefüllt gewesen sein muss:
Eine Google-Suche nach «Migros Druckaufträge» lässt zunächst Hoffnung aufkommen:
Aber hélas! Weisse Seite auf «derbund.ch», weisse Seite auf «bernerzeitung.ch», weisse Seite auf «radio24.ch».
Nicht nur der Medienspiegel-Leser fragt sich: Wurde da bei Tamedia auf Druck des vermutlich grössten Werbekunden gehandelt?
PS: Laut «Werbewoche» druckt Tamedia einen Teil der wöchentlich 2,1 Millionen Exemplare der Migros-Wochenzeitungen «Migros Magazin» und «Migros Magazine».
Update: Auch auf der Facebook-Page des «Tages-Anzeigers» wundert man sich (danke für den Hinweis, Philippe Wampfler):
Update, 15. Dezember 2011: Nun ist der Artikel auf «tagesanzeiger.ch» wieder aufgeschaltet – inkl. Entstehungsgeschichte.
Der Tagi hat den Artikel auch bei Facebook geteilt:
http://de-de.facebook.com/permalink.php?story_fbid=213384938738813&id=177194474660 – antwortet dort aber nicht auf die Frage, wohin denn der Artikel verschwunden sei.
Ein klarer Fall, und nicht der erste, welcher auf die enge Verbandelung der Medienhäuser mit ihren Geldgebern aus der Werbe- und PR-Industrie hindeuten. Die Online-Redaktionen der grossen Medienhäuser sind nicht nur korrumpiert (man lese auch die anderen Artikel zum Thema auf verschiedenen medienkritischen Blogs wie diesem hier), sondern auch unfähig zur Selbstkritik, was besonders ärgert. So zensiert beispielsweise das Newsnetz/TA Kommentare, welche gravierende Missstände und Fehler seitens Newsnetz belegen und anprangern. Wir brauchen endlich wieder Medien, Journalisten, Politiker, Unternehmer, welche tabulos, unabhängig und mutig sind. Leute mit Zivilcourage eben. Leute, welche Fakten nicht unterschlagen, schönreden oder zensieren bloss weil diese „politisch inkorrekt“ sind oder die eigene Karriere gefährden.
Lieber Medienspiegler. Das ist kein «Midrisk-Journalismus» sondern ein Lehrstück journalistischer Recherche-Methoden im Online-Zeitalter. Gratuliere!
Lieber Medienspiegel,
der Artikel hat tatsächlich etwas ausgelöst. Wir werden die Story wieder online schalten sobald wir von der Migros eine Stellungnahme erhalten haben.
Grüsse
Christian Lüscher, Autor des Artikels
Danke Herr Lüscher für die klärenden Worte. Die Frage, warum der Artikel überhaupt je deaktiviert wurde, bleibt weiterhin unbeantwortet. Ob Zensur oder Unachtsamkeit ist völlig wurscht. Es bleibt schlicht ein schaler Beigeschmack, der tiefe Einblicke in die Gepflogenheiten ihrer Redaktionsstube gewährt.
Update
Die Migros schreibt in einem Mail:
„Sie bekommen von uns die gewünschte Stellungnahme – allerdings brauchen wir für die detaillierte Abklärung ein bis zwei Tage.“
Abgeklärt werden die erwähnten Zahlen im Artikel. Ich schrieb: „In gut informierten Kreisen kursieren Beträge zwischen 20 und 30 Millionen Franken, die der Detailhändler im Ausland vergeben haben soll. Zahlen will die Migros nicht kommentieren.“
Festzuhalten ist, dass ich die Migros bereits vor einer Woche mit den Zahlen konfrontiert habe. Am Freitag sagte eine Pressesprecherin am Telefon, dass die Zahl zu hoch sei. Sie sei bei etwa 3 Millionen, wobei sie möglicherweise auch ein bisschen höher sein könnte. Mehr folgt…
danke fuer das update, herr luescher. aber mal eine frage: warum posten sie solche updates nicht auf ihrer eigenen plattform?
Blocher beherrscht die Basler Zeitung. Die SRG bietet den Verlegern Geld an, damit diese sich nicht mehr gegen Online-Werbung wehren. Über diese und andere spannende Themen lese ich hier nichts. Warum wird hier nicht aufgegriffen, was in der Branche wirklich diskutiert wird? Der Medienspiegel wird langsam zur Plattform für esoterische Freaks.
Nein, nein@) Yves Rosset, nix Esotherik. Mit Manchem ist medienspiegel.ch einfach schneller , so dass man wieder vergessen hat, wer alles zum Beispiel 2010 gesagt hat: „BaZ-Blocher? Alles Käse!“ Und wer eben nicht. Medienspiegel hälts weder mit Esotherik noch mit Käse , z.B. hier http://www.medienspiegel.ch/archives/002691.html#comments
Herr David, es gibt seit gestern Fakten in dieser Sache. Überall diskutiert man darüber. Was Sie vor einem Jahr zu dieser Angelegenheit meinten, interessiert doch niemanden. Mich wundert es, dass der Medienspiegel die BaZ-Story jetzt nicht aufgreift.
(Esoterik schreibe ich übrigens ohne th)
@) Herr Rosset: Mit Ihrer Verwunderungen haben Sie recht (mit dem „h“ übrigens auch…). Aber man darf schon drauf hinweisen: Trotz aller Dementis war spätestens mit der Ernennung von Herrn Somm abzusehen, wer da hinter den Kulissen blochert. Das ist, angesichts der finanziellen Potenz, die dahinter steht, noch lange nicht das Ende. Ich würde auch gern mal ein wenig Ausholenderes lesen, z.B. auch, wie sich SVP-nahe Kreise mit Parteipropaganda schleichend im Privat-TV breitmachen. ohne dass jemand danach frägt, ob sich das mit den jeweiligen Konzessionen überhaupt verträgt.
@FredDavid: Wieso nur die privaten TV-Sender? Via PresseTV unterwandert BaZ-Chefredaktor von Blochers Gnaden, Markus Somm, doch auch unlängst die SRG SSR Idée Suisse.
@Yves Rosset Das Internet stellt
ist in der heutigen «NZZ» zu lesen. Amen! Es sei denn, Sie bezahlen mir einen anständigen Lohn ;-)
Und hier noch das Update zum Fall Migros:
Die Stellungnahme ist auf dem Tisch. Wir werden den Artikel Morgen wieder aufschalten. Grund: Mein Chef muss noch das Okay geben für unsere Stellungnahme. Wichtig ist: Obwohl die Migros sämtliche Aufträge auflistet, nennt sie nur Prozentzahlen. Wie hoch die Beträge tatsächlich sind, bleibt weiterhin unklar. Mehr dazu am Mittwoch…
hallo herr luescher, hat ihr chef das ok nicht gegeben? – jedenfalls ist 24 std. nach ihrem post nix zu finden. oder hab ich was uebersehen?
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Heute im Tagesanzeiger.ch:
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Druckauftrge-der-Migros-sorgen-fr-rote-Kpfe/story/28635409
Einen eigenen Kommentar kann man nicht abgeben….
«Die Redaktion hält an ihrer Darstellung fest». Wie schön, diesen Satz wieder einmal zu lesen. Möglicherweise hat es den Stupf vom Medienspiegel gebraucht, damit der Tagi drangeblieben ist und hartnäckig nachgefragt hat. Trotzdem: Mehr solche Artikel auf Newsnetz, und das Lesen macht wieder mehr Freude! Well done.
Der Artikel ist wieder da. Bestens.
Trotzdem würde man gerne mehr erfahren, wie die Redaktion zur Überzeugung kam, einen bereits freigegebenen Artikel wieder vom Netz zu nehmen. Auf der Facebook-Seite der Migros steht zu lesen: „Der Tagi-Online-Artikel war nicht gewissenhaft recherchiert und beruhte auf Gerüchten. Deshalb hat die Tagi-Redaktion auf unsere Intervention hin den Artikel wieder vom Netz genommen.“ Wie sah diese „Intervention“ aus? Beurteilt nun derjenige, über den berichtet wird, ob ein Artikel „gewissenhaft recherchiert“ ist?
Ganz abgesehen von Einzelfall wirft diese Geschichte Fragen zum Umgang mit Korrigenda, Gegendarstellungen etc. in der Online-Welt auf. Einen Artikel (vorübergehend) wieder vom Netz zu nehmen (evtl. nur schon auf die Ankündigung einer Gegendarstellung/Stellungnahme hin), scheint mir jedenfalls nicht die richtige Lösung zu sein.
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