Die Szene ist ein, zwei Gedanken wert. «Übernehmen Sie die Verantwortung für das Desaster?» fragte der Labourabgeordnete letzten Dienstag im Hearing des Londoner Parlaments und richtete sich sichtlich auf eine ausholende Antwort ein.
Ein von PR-Experten gebriefter Bezahl-Manager würde auf solche Fragen mit auswendig gelernten Floskeln antworten, etwa dieser Art: «Nicht im juristischen Sinn. Aber eine moralische Verantwortung trage ich als oberster Chef natürlich schon, obwohl ich nichts von den Machenschaften wusste, gar nichts. Ich war ja selber entsetzt. Es ist mir unendlich peinlich, ich entschuldige mich bei allen Betroffenen» undsoweiter undsoweiter.
Man kennt die Rituale
In Japan würde man sich auch noch vor dem Publikum im 60-Grad-Winkel verneigen und ein paar gut sichtbare Tränen in den Augen verdrücken.
Aber Rupert Murdoch ist kein Japaner und er braucht keinen PR-Consultant. Er antwortete in der kürzest möglichen Form, ohne eine halbe Sekunde nachzudenken, knochentrocken und absolut abschliessend: «No.»
An anderer Stelle sagte er, dies sei der demütigendste Tag seines Lebens, wobei «humblest» besser mit «erniedrigend» zu übersetzen wäre. Der Herr, der gewohnt ist, erniedrigen zu lassen, fühlte sich, wahrscheinlich zum ersten Mal, selbst erniedrigt. Das geht vorüber.
Der Herrscher. Absolut.
Auf solche Fragen antwortet jedenfalls nicht ein bezahlter Manager mit dem kürzest möglichen Wort. So antwortet ein Eigentümer. Ein Herrscher. Ein Machtmensch. Wer aus einem australischen Käseblatt ein globales Medienimperium mit 53’000 Mitarbeitenden entwickelt, mit dem Potenzial, in Grossbritannien über Jahrzehnte Regierungen zappeln zu lassen (Blair, Brown, Cameron) und in den USA über Krieg und Frieden mitzuentscheiden (ohne den hämmernden Support von Fox News wäre George W. Bush wahrscheinlich nicht im Irak einmarschiert), der schlägt sich nicht mit dämlichen Fragen nach der Verantwortung für irgendwelche Abhöraktionen durchgeknallter Reporter herum.
Bloss 1 Prozent
Wozu auch, es passiert ihm nichts. «News of the World», bis letzten Sonntag grösste Zeitung Britanniens, machte nur grad 1 Prozent des Umsatzes aus. «1 Prozent! Dummkopf!» Das sagte er nicht wörtlich, aber man sah seinen Mundwinkeln an, dass er es dachte. Ein Alpha-Tier, das gewohnt ist, sich Beta-Tiere nutzbar zu machen. Zu diesen Zwecken, so versichern Adlaten, kann er sogar Charme aufblitzen lassen. Aber nur soweit es nützlich ist. Alles andere ist Energieverschwendung.
Der Meinungsbeherrscher flog am Abend im Privatjet – mit sich mutmasslich recht zufrieden – auf und davon. Lass sie schwätzen! Sein StarTV erreicht in Asien 100 Millionen Zuschauer. Täglich. Das interessiert ihn. Das ist der Markt, dort liegt die Zukunft. Dort liegt die neue Macht.
Bei uns ist es ganz anders
Es ist recht heikel, jetzt direktemang den Bogen in die Schweiz zu schlagen. Denn hier ist ja alles ganz anders. Da hacken sich nicht Reporter in Privattelefone und Computer ein, um Stories zu generieren. Sie wüssten wahrscheinlich gar nicht, wie das geht (ich übrigens auch nicht). Und hier gibt es keine Medienmogule, die über Leichen gehen. Zumindest nicht solche, wie Mister «No».
Als sich in den USA Murdochs «News America» bei einem Unternehmen namens «Floorgraphics» in die Computer einhackte und dieses darauf gegen Murdoch klagte, liess er kurzerhand das Unternehmen kaufen, deutlich über Marktwert: Goodwill-Zuschlag, nennt man das, wenn man jemanden kauft. Danach war bei den Nutztieren im Stall wieder Ruhe.
Und doch: Die heimlichen Quasi-Monopole
Auch den Brilli in seiner Schatztruhe, das «Wall Street Journal», nutzt der Tycoon nicht in erster Linie zum Brillieren. Mit Brillianten kann man bekanntlich auch schneiden, und zwar alles (s. dazu auch «Starker Tobak»; «sueddeutsche.de»).
So läuft das hier natürlich nicht. Wir haben keine «Citizen Kanes» und «Bürger M».
Aber wir haben langsam schon auch ein, zwei Quasi-Monopole in der kleinen Medienlandschaft Schweiz, in der die Machtbereiche, bis auf zwei schummrige Ausnahmen, wo man die tatsächlichen Eigentümer nicht kennt, klar aufgeteilt sind. Wir haben auch politisch interessierte und finanziell potente Kreise, die mehr vorhaben, als mit Medien bloss Geld zu verdienen.
Und wir haben Familien (Ringier, Coninx u. Anverwandte), von denen wir eigentlich wenig wissen und die einen sehr grossen Teil des Schweizer Mediengeschäfts beherrschen und bestimmen. 72% von Tamedia gehören in vierter und fünfter Generation einem einzigen Familienverband.
«Erteilung der notwendigen Weisungen»
«Der Verwaltungsrat hat folgende unübertragbare und unentziehbare Aufgaben: … die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen…» (Tamedia-Statuten; PDF). So steht es im Gesellschaftervertrag, was vollständig dem Aktienrecht entspricht, dem jede Wurstfabrik unterliegt. Aber ist das für meinungsbildende Medien im Jahr 2011 tatsächlich noch die angemessene Struktur, unverändert, wie im 19. Jahrhundert, als es noch mehrere hundert Medienunternehmen gab?
Family Affairs
Diese bohrende Frage hat der raunzige Achtzigjährige bei der Liveübertragung des Hearings aus dem Londoner Unterhaus mit seinem «No» bei mir ausgelöst. Ich glaube nicht, dass ich der einzige bin, dem das so geht.
Ich finde, die Familien Ringier, Coninx und Anverwandte sollten intensiver, als es Citizen M. tat, offensiver und gern auch öffentlich über ihre Verantwortung nachdenken – und ob sie diese in der absoluten Form, wie sie das Aktienrecht gebietet, noch zu tragen willens und in der Lage sind.
Stiftungen sind unerlässlich
Und ich meine, mindestens zwei, drei grosse, meinungsbildende Medien in der Schweiz müssen in vollkommen unabhängige, finanziell gut ausgestattete Stiftungen überführt werden, gelöst von den immer vielfältigeren und damit kaum noch durchschaubaren Aktivitäten der grossen Medienhäuser. Das ist machbar. Es gibt praktikable auch ökonomisch erfolgreich Modelle. Das Stiftungsrecht öffnet Tür und Tor.
Die Schweiz, die stolz ist auf das Funktionieren ihrer direkten Demokratie, braucht solche Schritte. Heute dringender denn je. Es darf in einem modernen Staat nicht von wenigen – wenn auch sehr zurückhaltenden – Familien abhängen, wie die Medienlandschaft eines ganzen Landes aussieht.
Im Murdoch-Imperium ist der überaus flotte, 38-jährige James M. daran, die Macht, und zwar die ganze Macht, zu übernehmen. Es kann gut gehen. Aber es ist, wie früher in absoluten Monarchien, reiner Zufall, ob der neue Monarch der ihm per Erbanspruch zufallenden enormen und nahezu absoluten Machtfülle gewachsen ist.
Nicht nur ökonomisch.
Fred David ist seit 40 Jahren Journalist (u.a. «Spiegel»-Redaktor, Auslandkorrespondent der «Weltwoche», Chefredaktor von «Cash»). Er lebt heute als freier Autor in St. Gallen. Was er hier schreibt, ist seine persönliche Meinung.
Das Medienhäuser ihre politischen Interessen durchzusetzen versuchen und nicht länger die vierte Gewalt im Staat ist, die nur balanciert und aufklärt ist schon lange Fakt. Die Möglichkeit neutral zu bleiben ist auch kaum gegeben aber man muss auch nicht neutral berichten – es würde schon reichen wenn die Agenda klar wäre und nicht versteckt zwischen den Zeilen, den Zuschauer und Leser verhexen würde. Vielleicht sollte man da ansetzen und wie überall sonst Transparenz verlangen/einklagen.
Zitat aus der Print-Ausgabe des Tages-Anzeigers vom Mittwoch:
Am meisten hasst Rupert Murdoch das «kranke britische Establishment». […]
Murdochs einziges Glaubensbekenntnis war immer der Populismus: «Ich hasse diese Snobs, die nicht lesen wollen, was das Volk liest. Snobs, die lesen wollen, was niemand liest.»
Das ist exakt jener Antiintellektualismus, der auch in der Schweiz seit den 90er Jahren sein Unwesen treibt (z.B. SVP, Weltwoche, Ökonomisten). Federführend sind dabei mächtige Herren, die es offenbar in geistigen Belangen nie weit gebracht haben, deshalb aufgrund der Neidökonomie umso schärfer gegen Eliten wettern, stattdessen den «einfachen Bürger» verklären und sich selbst zu den wahren Eliten ernennen, weil sie von Fachgebieten sowieso nichts verstehen. Die Tendenz der Boulevardisierung ist auch bei journalistischen Produkten auszumachen: Gratiszeitungen, Online-Zeitungen und davon infiziert die klassische Print-Zeitung, die sich kannibalisieren lässt. So treten Nebensachen und Events wie die Affären um Kachelmann, Hirschmann, Strauss-Kahn oder wie die Populärkultur (Boygroups, Harry Potter, Design, Reiseberichte, Facebook-Berichte etc.) anstelle von seriöser Berichterstattung und Hochkultur in den Vordergrund. Nur ja nichts publizieren, was den Narzissmus der Spassgesellschaft stört und die Leute zum Nachdenken bringen könnte! Der Konsum ist wichtiger.
Es gibt auch gewisse Stimmen, welche die Boulevardisierung, wenn nicht rechtfertigen, so zumindest entschuldigen:
Es ist schon gut, auch mal uns scheinheilige Medienkonsumenten dran zu nehmen. Wenn jene Medien die höchsten Auflagen und Zuschauerquoten erzielen, die – erkennbar – so arbeiten wie News of the World + Co, heisst das: Viele Medienkonsumenten wollen solchen Schmuddel und Schlüssellochkram und sie sind auch bereit, dafür zu zahlen. Dann kriegen sie’s halt. Keine Entschuldigung, aber eine Erklärung.
http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/diverses/Die-Empoerung-danach/story/22547758
Ein solches Statement trifft uns gebildete Leute nicht. Wir haben keinen Bedarf, in den privaten Abgründen lebender Leute zu wühlen, um diese blosszustellen. Das ist uns zu niveaulos. Gebildete Leute orientieren sich noch an gewissen Werten, die heute im Hinterherrennen hinter News allzu schnell vergessen gehen und eines kurzfristigen utilitaristischen Kalküls spotten. Leider werden diese Werte von sogenannten Führungskräften aus den obengenannten psychologischen Motiven zunehmends vernachlässigt und der Konsument gehobenerer Zeitungen im wahrsten Sinne des Wortes für dumm verkauft. Es ist daher nicht abwegig, dass wir von einem Zeitalter der Aufklärung und der Aufklärung über die Aufklärung langsam in ein düsteres Zeitalter zurückkatapultiert werden, in dem der verdummende Mensch sich selber feiert…
Es könnte ja auch sein, dass die Medien gar nicht jene aufklärerischen Instanzen sind oder waren, für die sich die Medienmitarbeiter im System unverdrossen selbst halten. Nicht ganz vergessen wollen wir auch, dass die ‚News of the World‘ keineswegs primär vom ‚Pöbel‘ gelesen wurden, sondern vor allem – soziologisch mag man den Begriff ja kaum noch in den Mund nehmen – vom sogenannten ‚Bildungsbürgertum‘.
Der Trick ist uralt: Um die letzten bildungsbürgerlichen Instanzen zu diskreditieren, schiesst man auf den Boulevard und meint die Qualitätszeitungen, i.e. man schlägt den Sack und meint den Esel. (Das wird einem auch leicht gemacht, weil sogar die masochistischen „Eliten“ gegen die Hochkultur schnöden.) Jetzt sollen also NZZ und New York Times für die Misere von 20Minuten und News of the World verantwortlich sein. Wenn grosse Teile des „Bildungsbürgertums“ (Chefredaktoren, CEOs, rechtskonservative Gutmenschen, antiliberale Kulturverächter etc.) in Verruf geraten sind, heisst das nicht, dass es in den Medien keine Leuchtpunkte mehr gibt. Sie sind selten geworden, da Fachjournalisten nurmehr an einer Hand abzählbar sind, und man muss sie mit der Lupe suchen, aber Blogs und „Schwarmintelligenz“ sind nach wie vor bloss ein mediokrer Ersatz dafür…
…einfach mal ein bisschen weiter und tiefer drauflos denken und es dann auch aufschreiben, ohne dauernd ängstlich zu fragen : Jä tör dä daa? Der Autor, Charles Moore, kommt aus der konservativen Ecke, war viele Jahre Chefredaktor von „Sunday Telegraph“ und „Daily Telegraph“ und schrieb eine erfolgreiche Thatcher-Biografie. In seiner Kolumne kommt er über Strukturen in der Medien- in der Finanzindustrie arg ins Grübeln: http://www.telegraph.co.uk/comment/columnists/charlesmoore/
Danke, Infosperber für den lesenswerten Tip.
Die NZZ lässt sich Volontäre der Wirtschaftsredaktion zur Hälfte vom grössten Wirtschaftsverband der Schweiz, Economiesuisse, sponsern http://www.careerservices.uzh.ch/studierende/stellenboerse/VolontaerIn_economiesuisse_NZZ.pdf
Das geschieht, wie unser Nachbarblog medienwoche.ch recherchierte http://medienwoche.ch/2011/08/03/als-nzz-volontar-bei-economiesuisse/, laut Wirtschaftsressortleiter Fischer in grenzenloser Unabhängigkeit und ist vöööllig unproblematisch.
Warum sich Volontäre oder auch Redaktoren nicht gleich mit der UBS oder Nestlé teilen? Das wäre dann folgerichtig Stufe 2 des grenzenlosen Knowhow-Transfers. Synergien nutzen! Im selbstlosen Dienst für den Leser. Die „Schweizer Illustrierte“ (Plakatwerbung: „Die Couragierte“) lässt sich das Aufmacherinterview mit Roger Federer schliesselich auch pfannenfertig vom Federer-Sponsor CS liefern, komplett mit Fragen und Antworten. Aber ohne Spenderhinweis. Man muss ja nicht alles breittreten.
Der Think Tank „Avenir Suisse“ – er wird hauptsächlich von der Schweizer Grosswirtschaft finanziert – ist sowohl geschäftlich wie inhaltlich eng mit dem NZZ-Buchverlag „Libro“ liiert. Avenir Suisse-Direktor ist der ehemalige NZZ-Wirtschaftschef Gerhard Schwarz, der auch gelegentlich noch in der NZZ kommentiert, wenn es um die letzten Grundfragen des Liberalismus geht. Privatbankier und NZZ-VR-Präsident Konrad Hummler sieht in alldem sicherlich auch keinerlei Problematik.
Denn „tatsächlich verfügen wir (d.h. die Eidgenossen) unverändert über liberale Gene“, wie NZZ-Politikchef René Zeller in seiner Predigt zum 1. August schrieb. Liberalismus ist eine genetische Frage. Und die Definition, was liberal ist und was dänn öpe gar nöd, überlassen wir folgerichtig den Genetikern und Rasseforschern.
Wer aber einen genetischen Defekt und somit von Liberalismus möglicherweise eine abweichende Vorstellung hat, kommt allmählich arg ins Grübeln.
Für diese Sorte Mensch muss es in diesem Land noch zwei drei unabhängige – nicht neutrale, sondern einfach: nicht hörige – meinungsbildende Medien geben. Und die sind in Zukunft nur noch in Form einer Stiftung möglich. Anders wird es gar nicht mehr gehen.
Die Stiftung muss entsprechend ausgestattet sein, gewinnorientiert, mit dem kleinen, aber relevanten Unterschied, dass der Gewinn immer wieder in den Stiftungsgegenstand investiert wird und nirgendwo sonst. Das funktioniert.
Sonst werden wir bald nur noch von Fremdinteressen ferngesteuerte Medien haben.
Wäre mal zwei, drei Gedanken in der Sommerflaute wert, Damen und Herrn Journalisten. Es betrifft eure/unsere/meine Existenz unmittelbar.
Mr.No ist kein Phantom.
Im vorletzten Kommentar findet sich ein Link zur „Telegraph“-Kolumne von Charles Moore http://www.telegraph.co.uk/comment/columnists/charlesmoore/ mit dem Hinweis, einfach auch mal so drauflos zu denken und es dann aber auch aufzuschreiben. Dabei kommt dann sowas heraus: http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/Der-rechte-Abschied-von-der-Politik/story/22710602
Und da und dort geht ein Lichtlein auf. Sehr erfreulich. Und braucht sogar ein wenig Mut. Nur zu!
…übrigens die Kolumne von Charles Moore http://www.telegraph.co.uk/news/politics/8655106/Im-starting-to-think-that-the-Left-might-actually-be-right.html wurde in seinem Blog über 1700mal kommentiert und der Essay von Constantin Seibt im Tages-Anzeiger löste gleichfalls eine Flut von Print- FB- und Blogkommentaren aus.
Es scheint, dass nicht nur die grandiosen Mr. No’s, sondern auch Journalisten langsam wieder etwas an Boden zurückgewinnen – und hoffentlich auch mit wieder mehr Selbstbewusstsein am Ball bleiben. Die Leser/User jedenfalls scheint es zu interessieren.
Was man heute unter „links“ versteht, müssen Journalisten übrigens neu definieren. Der Konservative Moore hat es versucht. Für die Schweiz würde als Definition wohl genügen: „nicht (mehr) der alles dominierenden Finanzindustrie hörig – und trotzdem ökonomisch sachkundig!“. Mehr an Erklärungen ist meiner Meinung nach gar nicht notwendig. Das Publikum, oder wenigstens der wichtigere Teil davon, versteht es.
Zu Mr. No noch eine Ergänzung , die ich auf Spiegel online fand. Der vollständige Text hier
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,780158-2,00.html
Hier der Mr. No betreffende Auszug:
„Den eigentlichen öffentlichen Ton gab in den vergangenen 30 Jahren ohnehin einer vor: Rupert Murdoch, der australische Medienmogul, der das moderne Großbritannien mehr prägte als jeder britische Politiker, Unternehmer oder Intellektuelle. Zusammen mit Margaret Thatcher brach Murdoch in den achtziger Jahren die Macht der Gewerkschaften, befeuerte die Entfesselung der Märkte, zusammen mit dem aufstrebenden Finanzsektor der City of London machte er die Gier salonfähig und so aus den Briten eine Nation von Shoppern, in der nun vor allem eines zählte: „Loads of Money“.
Alle zitterten vor Murdoch
Alle berauschten sich an dieser lauten, ruppigen Konsumkultur. Die Banker sowieso, mit ihren Booten samt Hubschrauberlandeplatz, aber wie sich beim Spesenskandal vor zwei Jahren herausstellte, auch viele Politiker. Es gab Konservative, die ihre Burggräben und Entenhäuser mit Steuergeldern finanzierten. Es gab Labour-Abgeordnete, die funkelnde Klobrillen und seidene Kissen abrechneten. Es gab den ersten Unterhausvorsitzenden seit dem Jahr 1695, der zurücktreten musste, weil aufgeflogen war, dass er für mehr als 4000 Pfund Taxiquittungen abgerechnet hatte, die seine Frau bei ihren Shoppingtouren angesammelt hatte.
Sie alle zitterten nicht vor dem Wähler, sondern vor Murdoch und seinem Medienimperium. Als Gordon Brown von der Chefredakteurin der „Sun“ erfuhr, dass eine auf zweifelhafte Weise recherchierte Geschichte über die schwere Krankheit seines Sohnes am nächsten Tag die Zeitung zieren würde, weinten Brown und seine Frau einen Nachmittag lang. Danach galt wieder: Business as usual mit den Murdochs.“